Heuschrecken können großen Schaden anrichten. Laut der Welternährungsorganisation FAO verbraucht ein Heuschreckenschwarm mit einer Milliarde Tieren etwa 1.500 Tonnen Nahrung an einem Tag - so viel wie 2.500 Menschen täglich zum Essen benötigen. Deshalb wird intensiv daran geforscht, wie sich Heuschreckenschwärme eindämmen lassen.
Forscherinnen des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Universität Konstanz haben jetzt herausgefunden, dass Heuschrecken ihren Geruchssinn anpassen, um auch in gewaltigen Schwärmen aus Milliarden Tieren spärliche Nahrungsquellen riechen zu können. Die Ergebnisse sind gerade im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht worden.
Heuschrecken sind eigentlich Einzelgänger
Die beiden Doktoranden Inga Petelski und Yannik Günzel von der Uni Konstanz untersuchten, wie es dazu kommt, dass sich Heuschrecken zu einem Schwarm zusammenschließen und wie die Tiere trotzdem noch Nahrung erkennen können. Denn Heuschrecken sind eigentlich nicht immer im Schwarm unterwegs. Normalerweise sind sie Einzelgänger, die nicht gern sozial sind., erklärt Doktorand Yannik Günzel.
"Aber wenn die Futterressourcen knapp werden und mehrere Heuschrecken auf einen Busch zum Beispiel zusammenkommen müssen und die sich dann berühren und auch gegenseitig sehen und riechen, dann machen die einen sogenannten Phasenwandel durch und werden zu gruppenlebenden Tier", erklärt Yannik Günzel.
Dabei verändert sich die Heuschrecke. Das Auffälligste dabei ist natürlich das Verhalten, sie bilden Gruppen und später dann Schwärme, die riesig werden können. Aber auch das Aussehen der Heuschrecke verändert sich: Im Schwarm seien sie nicht mehr grün und kryptisch, sondern auffällig gelb, schwarz gemustert, sagt Günzel.
Wandlung zum Schwarmtier geschieht durch Berührung
Die Veränderung der Färbung braucht etwas Zeit, die Verhaltensänderung hingegen geht sehr schnell. Günzel beschreibt, dass sich die Heuschrecken innerhalb von nur vier Stunden komplett vom Einzelgänger zum Schwarmmitglied wandeln.
Ausgelöst werden diese Veränderungen durch Berührungen. Am stärksten begünstigt wiederholtes Kitzeln am Oberschenkel des Hinterbeins den Phasenwandel einer Heuschrecken - so das Ergebnis einer Studie, die untersucht hat, wie Berührungen sich auf den Phasenwandel auswirken.
Die Veränderung zum Schwarmtier kann also in Laborexperimenten gezeigt werden, versichern die Doktoranden: Wenn man eine einzeln lebende Heuschrecke kitzele, dann werde der Wandel angestoßen.
Schwarm-Heuschrecken zeigen veränderte Hirnaktivität
Durch diesen extremen Wandel in der Lebensweise verändert sich auch die Art und Weise, wie die Tiere nach Nahrung suchen. Das konnte in Verhaltensexperimenten nachgewiesen werden.
Dabei konnten die Einzelgänger-Heuschrecken und Schwarm-Heuschrecken zwischen verschiedenen Optionen wählen, wie sie an Nahrung kommen. Doktorandin Inga Petelski erklärt, dass dabei ihre Hirnaktivitäten gemessen wurden:
Die Forschenden konnten so beobachten, dass bei den Schwarm-Heuschrecken eine sehr starke Hirnaktivität ausgelöst wird, wenn sie die Kombination aus Futterduft und Schwarmgeruch riechen.
Geruch des Schwarms ist so stark, dass er Nahrung überdeckt
Dieser verstärkte Effekt war bei den Einzelgänger-Heuschrecken nicht zu sehen. Das bedeutet, dass Heuschrecken ihren Geruchssinn anpassen, wenn sie in die Schwarmlebensweise übergehen, um so Nahrungsquellen besser orten zu können.
Das scheint bitter nötig zu sein, denn so ein Heuschreckenschwarm, der riecht sehr stark nach Heuschrecke und dieser Geruch kann den Duft von Nahrung leicht überdecken. Doktorandin Inga Petelski erklärt dazu:
Das Forschungsteam geht davon aus, dass Schwarm-Heuschrecken den Geruch einer möglichen Nahrungsquelle sogar stärker wahrnehmen als eine Einzelgänger-Heuschrecke. Für die Verhaltensbiologin Petelski ist das ein wichtiges Puzzlestück in der Forschung zu Heuschreckenschwärmen.
Forschende wollen Futtersuche oder Schwarmbildung verhindern
Die Forschenden erhoffen sich, besser verstehen zu können, wie Gerüche im Gehirn der Heuschrecke verarbeitet werden, welche Aktivitätsmuster stattfinden und welche Rezeptoren angesteuert werden. So könnten gezielt die für die Futtersuche oder Schwarmbildung verantwortlichen Rezeptoren blockiert werden, erklärt Petelski.
Grundsätzlich geht es den Heuschrecken-Forschenden vom Exzellenzcluster Kollektives Verhalten der Universität Konstanz darum, das Verhalten von Heuschreckenschwärme besser zu verstehen. So ist es wichtig, wie die Schwärme in einer Landschaft navigieren, um zum Beispiel vorhersagen zu können, wo sie einfallen und die Felder leer fressen. Denn der Klimawandel hat bei den Heuschrecken einen für Menschen ungünstigen Kreislauf ausgelöst.
"Sobald es zu vermehrten Regenfällen kommt, können die Eier gut ausgebrütet werden. Und gibt es sehr viel Vegetation, dann schlüpfen an einer Stelle sehr viele Heuschrecken, die sich alle berühren", erläutert Inga Petelski.
Daher beginnt die Schwarmbildung mittlerweile oft schon direkt nach dem Schlüpfen der jungen Heuschrecken. Das führt zu immer mehr gefräßigen Heuschrecken-Schwärmen, die mittlerweile in vielen Ländern ganze Ernten vernichten.