Unser Körper ist nicht für die Schwerelosigkeit gemacht, denn sie beeinträchtigt schnell die Knochen und die Muskulatur. Hinzu kommt, dass Raumschiffe eng und laut sind, das bedeutet Dauerstress. Außerdem können sie nicht gänzlich vor der gefährlichen Strahlung im All schützen. Das sind nur einige der medizinischen Aspekte der Raumfahrt.
Natürlich wird die Gesundheit von Raumfahrern seit Beginn der astronautischen Raumfahrt erforscht, jedoch fast nur an professionellen Astronautinnen und Astronauten. Denn das waren lange die einzigen Menschen, die ins All geflogen sind.
Sie trainieren jahrelang auf ihre Flüge hin und werden dabei ständig medizinisch begleitet. Sie sind kerngesund und fit. Doch mittlerweile starten auch immer mehr Menschen ohne langjährige Ausbildung ins All – ein Glücksfall für die Forschung.
Gesundheitliche Untersuchung von Raumfahrt-Touristen
Urlaub im All ist für die meisten Menschen zwar noch völlig unerschwinglich, so weit hergeholt wie noch etwa Anfang des Jahrhunderts ist das jedoch nicht mehr.
Auch Laien fliegen immer häufiger ins All, die nicht ihr ganzes Leben darauf hintrainiert haben. Dabei stellt sich die Frage, ob die Körper von nicht-professionellen Raumfahrerinnen und Raumfahrern die Reise ins All schaffen.
Ein Team von Forschenden aus 25 Ländern hat nun im Rahmen des Space Omics and Medical Atlas (SOMA) fast 1.200 Proben der Inspiration-4-Crew untersucht.
Mission Inspiration4 erfolgreich beendet
Wissenschaftliche Beteiligung aus Tübingen
Auch die Tübinger Wissenschaftlerin Daniela Bezdan ist Teil des internationalen Teams. Sie arbeitet einerseits daran, eine Art Atlas eines gesunden menschlichen Körpers im All zu erschaffen. Daran könnten sich in Zukunft Ärzte bei der Diagnose von weltraumbedingten Krankheiten orientieren.
Gerade wenn nur eine telemedizinische Betreuung möglich ist und Astronautinnen und Astronauten selbst Proben entnehmen müssen, muss eine Diagnose möglichst einfach und standardisiert gestellt werden können.
Bezdan untersuchte aber auch, wie Astronautinnen und Astronauten theoretisch mit gentechnischen Methoden behandelt werden können, um ihre Körper robuster für die Raumfahrt zu machen.
Aktuell ist es überall auf der Welt ausgeschlossen, solche Methoden einzusetzen, sollten Menschen aber über Jahre, Jahrzehnte oder sogar dauerhaft im All leben und arbeiten, könnte es eine wichtige Möglichkeit werden, die Gesundheit der Raumfahrer sicherzustellen.
Zugang zum All soll demokratisiert werden
Inspiration-4 war der erste mehrtägige Flug ins All, bei dem nur Privatpersonen mitgeflogen sind. Einer der Forschenden ist Chris Mason, Professor für computergestützte Genomik an der Cornell in New York:
Das hätten die Forschenden schon früher gesehen, "aber weil die Crew nur aus Privatpersonen bestand, heißt das, dass wir das All immer weiter für mehr und mehr Menschen öffnen und den Zugang demokratisieren können", erklärt Mason.
Reise ins All scheint das genetische Alter der Zellen zu beeinflussen
Eine der größten Überraschungen in der Astromedizin sind die Änderungen an den sogenannten Telomeren. Das sind die Enden unserer Chromosomen, die diese stabilisieren und schützen. Telomere bestehen aus kurzen, sich tausendfach wiederholenden DNA-Sequenzen und gelten als Marker für das Altern, da sie in den meisten Zellen mit dem Alter immer kürzer werden.
Es gibt aber eine ganze Reihe weiterer Faktoren, wie Stress oder Strahlung, die Telomere kürzen können, sagt Susan Bailey, Professorin für Biologie der Strahlenheilkunde an der Colorado State University
Schon bei früheren Missionen im All konnten Forschende etwas Ungewöhnliches beobachten: Die Telomere wurden während des Flugs länger, erklärt Bailey. Das hat die Forschenden ziemlich überrascht. Sie versuchten daher herauszufinden, ob das bei Flügen ins All immer so ist.
Deswegen war es für die Forscherinnen und Forscher um Bailey so spannend, die dreitägige Inspiration-4-Mission zu beobachten. Davor hatten sie sich nur ganz- oder halbjährige Missionen angeschaut. Jetzt konnten die Forschenden der Frage nachgehen, wie schnell die Verlängerung der Telomere passiert.
Schon ein kurzer Aufenthalt im All verändert die Telomere
Bei allen vier Mitgliedern der Inspiration-4-Crew konnten schon nach drei Tagen längere Telomere nachgewiesen werden. Als genetische Verjüngungskur scheint sich die Raumfahrt allerdings wahrscheinlich nicht zu eignen. Forscherin Susan Bailey geht nicht davon aus, dass die Telomere in den Zellen während eines Fluges ins All tatsächlich verlängert werden.
In Stammzellen wird die Länge der Telomere aktiv aufrechterhalten, damit diese geneitsch jung bleiben. Zellen, die direkt von Stammzellen abstammen – in diesem Fall Blutstammzellen – haben deshalb automatisch längere Telomere. Teilen diese sich weiter, verkürzen sich die Telomere wieder.
Längere Telomere im Blut könnten also ein Zeichen einer Stressreaktion sein. Das zeigt sich auch darin, dass die Telomere nach der Rückkehr zur Erde sehr schnell wieder kürzer werden. Am Ende sind sie sogar kürzer als vor dem Flug.
Frauen scheinen sich besser für Raumfahrt zu eignen
Ein anderes interessantes Ergebnis der Untersuchung ist: Frauen haben offenbar eine höhere Resilienz gegenüber genetischen Schäden. Rein medizinisch würde das bedeuten, sie wären besser für lange Flüge im All geeignet.
Der genaue Grund dafür ist nicht bekannt. Die Forschenden spekulieren, dass Frauen besser an starke physiologische Änderungen des Körpers angepasst sind, da sie mit Schwangerschaften umgehen müssen.
Die Forschenden untersuchten noch viele weitere gesundheitliche Faktoren und ergänzten die Daten mit denen von mehr als 60 weiteren Astronauten. Diese Datensammlung stellen sie allen Forschenden frei zur Verfügung und hoffen so auf noch weitere Erkenntnisse.
Außerdem bewahren sie auch einige Proben der Inspiration-4-Mission auf, damit diese in Zukunft mit neueren Methoden noch genauer untersucht werden können.
Auch psycho-soziale Faktoren unter den Astronautinnen spielen eine Rolle
Es gebe aber keine Anzeichen, dass auch längere Flüge, etwa zum Mars, aus medizinischen Gründen ausgeschlossen wären, sagt Chris Mason. Die größten Hürden für solche Flüge seien aber anderer Natur, so Mason: "Lebenserhaltungssysteme und die Herstellung von Nahrung und Medikamenten, zum Beispiel."
Aber auch der psycho-soziale Aspekt, der Zusammenhalt, spiele eine Rolle. "Wer schon mal einen nervigen Mitbewohner hatte, weiß was ich meine", erklärt Mason. "Aber Space-X, die NASA und andere Raumfahrtagenturen stecken da viel Energie rein und versuchen, diesen Zusammenhalt schon vor dem Flug zu schaffen."