Medizin

Endometriose - mehr Forschung für bessere Diagnostik und Therapie

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Autor/in
Nina Kunze
Nina Kunze ist Reporterin und Redakteurin bei SWR Wissen aktuell
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Endometriose betrifft schätzungsweise zehn bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter. Bislang ist jedoch kaum etwas über die Ursachen der Krankheit bekannt und wie man sie behandeln kann. Das soll sich jetzt ändern: Seit September gibt es mehr Geld für die Forschung, unter anderem für ein Projekt der Universität Tübingen.

Was passiert bei Endometriose im Körper?

Bei Endometriose wächst Gewebe, welches der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter in Form von sogenannten Endometriose-Herden. Dabei kommt es zu chronischen Entzündungen sowie Narben und Verwachsungen. Auch umliegende Organe können betroffen sein, wie Eierstöcke, Blase, Nieren und Darm. Das Gewebe blutet außerdem bei jeder Menstruation mit. Da das Blut aber oft nicht richtig abfließen kann, bilden sich blutgefüllte Zysten. Endometriose kann sich zudem auf den Hormonhaushalt und das Immunsystem auswirken.

Welche Symptome kommen bei Endometriose vor?

Die Liste der möglichen Symptome ist lang. Viele Betroffene klagen vor oder während der Menstruation über Rückenschmerzen, sehr starke Regelblutungen und heftige Unterleibsschmerzen - teils so stark, dass Arbeiten unmöglich ist. Auch chronische Bauchschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, starke Erschöpfung sowie Übelkeit und Erbrechen können Symptome sein. Außerdem führt die Krankheit teilweise dazu, dass betroffene Frauen ungewollt kinderlos bleiben. Doch auch Frauen ohne Symptome können von der Krankheit betroffen sein.

Endometriose betrifft schätzungsweise zehn bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter. Symptome können unter anderem chronische Bauchschmerzen sein.
Endometriose betrifft schätzungsweise zehn bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter. Symptome können unter anderem chronische Bauchschmerzen sein.

Wie wird Endometriose diagnostiziert?

Laut der aktuellen Leitlinie für Endometriose erfolgt für die Diagnose zunächst eine Anamnese der Krankheitsgeschichte. Dazu kommt in der Regel eine Ultraschalluntersuchung, manchmal auch ein MRT. Mithilfe dieser bildgebenden Verfahren können blutgefüllte Zysten oder freie Flüssigkeit im Bauchraum erkannt werden. Wenn Anamnese und Ultraschalluntersuchung für eine Endometriose sprechen, wird zusätzlich eine sogenannte Bauchspiegelung gemacht, um nach Endometriose-Herden zu suchen oder eine Gewebeprobe zu entnehmen, die dann weiter untersucht wird.

Es gibt mittlerweile auch einen Speicheltest, der nach bestimmten Genmarkern und Proteinen sucht. Die Kosten liegen allerdings bei rund 800 Euro, die nicht von den Kassen übernommen werden. Der Test steht auch in der Kritik, eine Endometriose nicht zuverlässig genug erkennen zu können. Als alleiniges Diagnose-Tool ist der Test also nicht ausreichend.

Welche Therapien gibt es bei Endometriose?

Eine gängige Form der Therapie besteht darin, die Endometriose-Herde wegzuoperieren. Das geschieht minimal-invasiv im Rahmen einer Bauchspiegelung. Ganz in den Griff lässt sich die Krankheit damit aber häufig nicht kriegen, da das schädliche Gewebe nachwachsen kann. Außerdem gibt es Hormontherapien, die auf die Zyklushormone abzielen, wie die Antibabypille und Gestagene. Ansonsten bleiben aktuell nur Schmerzmittel, um die Symptome zu lindern. Ein Heilmittel gibt es bislang nicht, da zu den Ursachen der Krankheit kaum etwas bekannt ist.

Bis zur richtigen Diagnose Endometriose haben viele Frauen eine lange medizinische Odyssee hinter sich. Die Schmerzen wurden in der Vergangenheit oft heruntergespielt. Das soll die neue Forschungsinitiative jetzt auch ändern.
Bis zur richtigen Diagnose Endometriose haben viele Frauen eine lange medizinische Odyssee hinter sich. Die Schmerzen wurden in der Vergangenheit oft heruntergespielt. Das soll die neue Forschungsinitiative jetzt auch ändern.

Warum wurde Endometriose so lange vernachlässigt?

Rein weibliche Erkrankungen wurden in der Medizin lange vernachlässigt, Periodenschmerzen häufig als „normal“ abgetan. Das Krankheitsbild Endometriose war lange Zeit kaum bekannt, selbst unter medizinischem Personal. Eine große Rolle bei der Aufklärung spielen auch die sozialen Medien: Die Erkrankung ist so mehr in den Vordergrund gerückt, es gibt mehr Informationen, Betroffene können sich besser austauschen. Zudem zeigt das große Interesse auf sozialen Medien auf, wie groß der Handlungsbedarf ist.

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Was wird in Tübingen jetzt zum Thema Endometriose erforscht?

Zentraler Bestandteil des Projekts ist eine sogenannte Biobank. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Gewebeproben und den dazugehörigen Daten der Patientinnen. Mithilfe dieser Biobank will das Tübinger Forschungsteam herausfinden, welche Zusammensetzung des Gewebes das Wachstum der Endometriose begünstigt.

Außerdem geht es darum zu verstehen, wie die Entzündungen zustande kommen und welche Rolle das Immunsystem und das Mikrobiom der Betroffenen spielt. Es gibt bereits Hinweise, dass bestimmte Bakterien mit dem Auftreten von Endometriose in Verbindung stehen.

Zusätzlich nutzt das Forschungsteam sogenannte Organ-on-a-Chip Systeme, um neue Therapien zu testen. Dafür werden menschliche Zellen zu einer dreidimensionalen Struktur herangezüchtet, die einem Organ gleicht. Mit diesem System möchte das Forschungsteam eine Alternative zu Tierversuchen etablieren. Diese gelten ohnehin als unzureichendes Modell, da Endometriose bei Tieren nicht in der gleichen Form vorkommt wie beim Menschen.

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