Neun Jahre lang mussten amerikanische Astronauten auf russischen Sojus-Kapseln als zahlende Passagiere mitfliegen, weil die USA nach dem letzten Flug eines Space Shuttles im Juli 2011 keine eigenen Raumschiffe mehr für den bemannten Start ins All zur Verfügung hatten. Doch nun will die NASA ein neues US-Raumfahrtzeitalter anbrechen lassen.
Eine neue Ära der US-Raumfahrt
„Launch America“ – unter diesem Slogan steht der erste Start amerikanischer Astronauten in einem neuen amerikanischen Raumschiff von amerikanischem Boden aus. Als Besatzung an Bord sind Robert Behnken und Douglas Hurley. In neuartige Raumanzüge gekleidet, in schick gestylten Astronautensitzen festgeschnallt und in einer fast vollautomatisch fliegenden Kapsel mit Touchscreen-Kontrollpanel.
"Wettbewerb" unter Raumschiff-Entwicklern
Das neue Raumschiff, der CrewDragon, wurde in einer Art Wettbewerb entwickelt. Die NASA steckte über Jahre hinweg über 3 Milliarden Dollar in ein von der privaten Raumfahrtfirma SpaceX vorgeschlagenes Konzept. SpaceX gehört Elon Musk, dem Gründer des Bezahldienstes Paypal und des Elektroautokonzerns Tesla. Weitere NASA-Milliarden gingen an Boeing.
Beide Unternehmen brauchten Jahre länger, als ursprünglich geplant, um ihre Raumschiffe fertigzustellen. Der Crew Dragon, das Raumschiff von SpaceX, hat bereits im März 2019 erfolgreich einen unbemannten Flug zu ISS absolviert und darf deshalb jetzt erstmals mit Besatzung an Bord starten.
Missglückter Test des "Starliners" von Boeing
Boeing dagegen muss zunächst den unbemannten Testflug wiederholen, denn ein erster Versuch mit dem „Starliner“ die ISS zu erreichen wurde im Dezember 2019 in der Erdumlaufbahn abgebrochen, die Kapsel kehrte vorzeitig zur Erde zurück.
Eine Raumkapsel ist generell einfacher konstruiert als ein Spaceshuttle und damit weniger fehleranfällig. Der CrewDragon ist zudem eine Weiterentwicklung der Dragon-Kapsel, mit der SpaceX schon seit mehreren Jahren Frachtflüge zur ISS im Auftrag der NASA übernimmt.
Lebende Fracht an Bord der CrewDragon
Der jetzige Start ist allerdings erst der zweite des neuen, für den bemannten Einsatz gedachten Kapsel-Modells. Auf Vorschlag der eigenen Techniker ließ SpaceX deshalb während des Zusammenbaus des Crew Dragon alle internen Arbeitsanweisungen mit Fotos der beiden NASA-Astronauten versehen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig daran zu erinnern, dass diesmal nicht bloß Fracht auf dem Spiel steht.
Teile der Falcon-9-Rakete werden recycelt
Ein interessanter Unterschied zwischen den früheren Starts der Apollo- und Shuttle-Missionen und des Crew Dragon ist der Zeitpunkt, zu dem die Crew im Raumschiff ihre Plätze einnimmt. SpaceX startet sein Raumschiff an der Spitze einer Falcon-9-Rakete, deren Erststufe am Ende des Fluges nicht als Schrott ins Meer plumpst, sondern zur Erde zurückkehrt und dort aufrecht landet, um erneut verwendet zu werden.
Tiefgekühlte Riesentanks
Ein spektakuläres Manöver, für dessen Durchführung die Raketenstufe aber zusätzlichen Treibstoff braucht. Damit mehr Wasserstoff und Sauerstoff in die Raketentanks passt, werden die beiden Flüssigkeiten supertiefgekühlt betankt. Tiefkalter Treibstoff zieht sich zusammen und benötigt weniger Platz. Damit der Treibstoff keine Zeit hat sich zu erwärmen, sich auszudehnen und die Tanks zu beschädigen, wird direkt nach Ende des Betankens auch schon gestartet.
Das bedeutet aber auch, dass die Besatzung schon während des Tankvorgangs in der Kapsel sitzen muss. Ein Sicherheitsrisiko, das man bei den Apollo- und Shuttle-Missionen nicht eingehen musste. Der Crew Dragon verfügt aber über besonders starke Extra-Triebwerke für einen Rettungsstart, mit dem sich das Raumschiff samt Besatzung noch am Boden in Sicherheit bringen kann, falls beim Betanken etwas schiefläuft.
Premiere mit zwei Astronauten an Bord
Beim Premierenflug sind zwei Astronauten an Bord, bei späteren NASA-Flügen werden maximal drei Männer und Frauen Platz im Crew Dragon finden. Vier Menschen als Besatzung plant das Unternehmen Space X für seine eigenen Raumflüge. Denn auch das ist ein Unterschied zur Ära der Space Shuttles und Apollo-Kapseln: Der CrewDragon ist kein staatliches Raumfluggerät, er gehört nicht der NASA. Er wurde zwar mit NASA-Geld entwickelt, ist aber im Besitz von SpaceX.
Wie sehen die weiteren Pläne von SpaceX dann aus?
Die Astronauten Behnken und Hurley sollen vier bis sechs Monate auf der ISS verbringen. Der genaue Zeitpunkt ihrer Rückkehr zur Erde ist noch unklar, auch der Rückflug wird mit dem Crew Dragon erfolgen. Verläuft die gesamte Mission zufriedenstellend, will SpaceX mit dem neuen Raumschiff auch Flüge für Touristen in die Erdumlaufbahn anbieten.
Die NASA weiß aber natürlich um die Unwägbarkeiten des Raumfahrtgeschäfts und hat für ihre Astronautinnen und Astronauten sicherheitshalber noch bis zum Ende des Jahres Mitfluggelegenheiten auf russischen Sojus-Kapseln gebucht.