Corona-Pandemie

Russland: Weltweit erster Covid-19-Impfstoff wird zugelassen

Stand
Autor/in
Ulrike Till
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Als erstes Land der Welt lässt Russland einen Impfstoff gegen das Coronavirus für die breite Verwendung zu. Der Impfstoff wurde allerdings bisher nur an wenigen Menschen getestet.

Liefert Russland den weltweit ersten Impfstoff gegen Corona? Genau das behauptet Präsident Putin. Seine eigene Tochter sei schon geimpft worden. Deutsche Impf-Experten sagen dagegen: Einen zuverlässigen Impfstoff werde es erst frühestens Ende dieses Jahrs geben. Ihn in einem so frühen Stadium zuzulassen, widerspreche internationalen Kriterien.

Corona Impfstoff-Propaganda

Dass Putin jetzt den weltweit ersten Corona-Impfstoff feiert, ist reine Propaganda und bestimmt kein Grund zum Jubeln. Im Gegenteil: internationale Experten sehen dieses extreme Eiltempo mit großer Sorge.

Erst Mitte Juni hat das Gamaleja-Institut in Moskau eine erste kleine Gruppe von Freiwilligen mit dem experimentellen Impfstoff behandelt – und jetzt, rund zwei Monate später soll der Impfstoff schon marktreif sein? Das ist schlicht unmöglich und widerspricht den etablierten wissenschaftlichen Standards.

In Phase drei werden Impfstoffe normalerweise vor einer Zulassung an Tausenden von Freiwilligen getestet. Diese entscheidende Phase haben die russischen Forscher offensichtlich einfach übersprungen.
In Phase drei werden Impfstoffe normalerweise vor einer Zulassung an Tausenden von Freiwilligen getestet. Diese entscheidende Phase haben die russischen Forscher offensichtlich einfach übersprungen.

Putin verspricht "dauerhafte Immunität"

Dauerhafte Immunität verspricht Putin – das kann er nach so kurzer Zeit überhaupt nicht wissen. Ob ein Impfstoff wirklich schützt und gut verträglich ist, zeigt sich erst bei Tests mit Tausenden von Freiwilligen.

Einige Impfstoffhersteller haben diese entscheidende Schlussrunde bereits begonnen: unter anderem Moderna aus den USA, Biontech aus Mainz, Astra-Zeneca mit dem „Oxford-Impfstoff“: Sie alle testen jetzt bis zu 30.000 Freiwillige in den USA, Brasilien und anderen Ländern mit hohen Infektionszahlen.

Russland nimmt hohes Risiko durch unausgereiften Impfstoff in Kauf

Frühestens im Herbst ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen. Diese entscheidende Schlussrunde wollen sich die Russen offenbar sparen. Beziehungsweise erst damit loslegen, wenn die Impfung schon zugelassen ist. Das ist aber schlicht die falsche Reihenfolge. Denn es bedeutet ein erhebliches Risiko für die Ärzte und Lehrer, die den experimentellen Impfstoff schon bald bekommen sollen.

Der Russische Präsident Putin gibt sich siegessicher. Viele weltweite Experten halten die Zulassung des Impfstoffes für verfrüht.
Der Russische Präsident Putin gibt sich siegessicher. Viele weltweite Experten halten die Zulassung des Impfstoffes für verfrüht.

Viel Geheimniskrämerei – keine Daten veröffentlicht

Zwar ist es durchaus möglich, dass der russische Impfstoff funktioniert – aber vielleicht schützt er nur eingeschränkt, oder es zeigen sich bedenkliche Nebenwirkungen. Bisher sind keinerlei Daten der ersten Tests veröffentlicht, Fachleute aus dem Ausland können den Impfstoff daher nicht bewerten.

Schummeleien bei den Nebenwirkungen?

Skeptisch stimmt auf jeden Fall die unwahrscheinliche Behauptung, dass keinerlei Nebenwirkungen aufgetreten seien – üblich sind wenigstens Rötungen an der Einstichstelle oder gelegentlich leichtes Fieber. Wie ehrlich sind Forscher, die hier schummeln, wenn es um die Wirksamkeit geht? Allerdings ist nicht nur Russland auf einem gefährlichen Weg, auch die USA könnten der Versuchung erliegen, einen möglichen Impfstoff zu früh auf den Markt zu bringen.

 

Pressekonferenz zum aktuellen Forschungsstand der Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19.
Der Rektor der Moskauer Staatsuniversität, Viktor Sadovnichy, erläutert bei einer Pressekonferenz den aktuellen Forschungsstand zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19.

USA: Corona-Impfstoff als Wahlversprechen

Längst hat die Jagd nach dem Impfstoff auch eine politische Komponente. Russland spricht bereits von einem „Sputnik-Moment“. Und Donald Trump verspricht seinen Anhängern einen Impfstoff made in USA pünktlich zur Wahl im November.

Fachleute im eigenen Land sind deshalb in Sorge, die Forschung könnte zu stark unter Druck geraten. Egal, welches Land zu viele Abkürzungen beim Impfstoff riskiert: die Folgen wären weltweit spürbar. Ein schlechter Impfstoff wäre Wasser auf die Mühlen aller Impfskeptiker. Und auch der Start eines später seriös entwickelten Impfstoffs würde wohl auf größere Vorbehalte stoßen.

US-Präsident Donald Trump  würde gerne zur nächsten Wahl im November einen in den USA entickelten Corona-Impfstoff präsentieren.
US-Präsident Donald Trump würde gerne zur nächsten Wahl im November einen in den USA entickelten Corona-Impfstoff präsentieren.
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Ulrike Till
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Ralf Kölbel