Vier deutsche Kliniken untersuchen jetzt, ob ein Impfstoff gegen Tuberkulose indirekt auch einen gewissen Schutz vor einer Coronainfektion und Covid-19 bietet.
Weltweit suchen Forscher nach einem Impfstoff gegen Corona. Die ersten frühen Tests sind gerade erst angelaufen; eine Zulassung wird allerdings noch dauern. Doch vielleicht kann ein Impfstoff gegen eine ganz andere Krankheit die Zeit bis dahin überbrücken.
In einer Studie untersuchen jetzt vier deutsche Kliniken, ob ein Impfstoff gegen Tuberkulose indirekt auch einen gewissen Schutz vor einer Infektion mit dem neuen Coronavirus und der damit verbundenen Lungenkrankheit Covid-19 bietet.
Tuberkulose soll körpereigene Abwehr mobilisieren
Die Idee der Forscher ist einfach: Sie setzen darauf, dass ein verbesserter Tuberkulose-Impfstoff auch körpereigene Abwehrkräfte gegen das neue Coronavirus mobilisiert. Dabei geht es um das sogenannte unspezifische Immunsystem: Das ist uns angeboren und soll durch die Tuberkulose-Impfung mit aktiviert werden. Wenn das funktioniert, könnten die Geimpften eine Corona-Infektion besser abwehren und deutlich leichter oder auch gar nicht erkranken -- so die Hoffnung.
Unter Federführung der Medizinischen Hochschule Hannover starten jetzt Testreihen mit 1000 Freiwilligen: Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und Mitarbeiter im Rettungsdienst. Neben Hannover sind Studienzentren in München, Erfurt und Borstel beteiligt. VPM1002 heißt der experimentelle Impfstoff, der bei den Tests zum Einsatz kommt.
TBC-Impfung wurde bereits vor 100 Jahren entwickelt
Entwickelt haben ihn Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Es ist gewissermaßen das genetisch veränderte Update der klassischen Tuberkuloseimpfung BCG. Die wurde schon Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelt und kann Studien zufolge auch gegen virale Infekte der Atemwege schützen. Die Wissenschaftler rechnen damit, dass auch der neue, noch nicht zugelassene Impfstoff diesen Zusatznutzen besitzt.
Indirekte Schutzwirkung des neuen TBC-Impfstoffes bei Mäusen nachgewiesen
Bei Mäusen war die indirekte Schutzwirkung bereits nachweisbar. Der Wirkstoff gelangt über das Blut in die Lymphknoten und verändert dort die körpereigenen Abwehrzellen. Wenn dann Coronaviren die Lunge befallen, sollen Fress- und Killerzellen aktiv werden und die gefährlichen Erreger stoppen – so die Theorie der Forscher.
Auch ältere Menschen sollen testweise geimpft werden
In einer späteren Studie wollen sie auch 1800 ältere Menschen impfen, um die indirekte Schutzwirkung zu testen. Unklar ist im Moment, ob der klassische BCG-Impfstoff auch Menschen, die ihn vor langer Zeit bekommen haben, noch einen indirekten Schutz vor Corona bietet.
In der DDR war TBC-Impfung Pflicht - Erklärung für niedrige Corona-Fallzahlen?
Unter anderem in der ehemaligen DDR war die Tuberkuloseimpfung lange Pflicht – könnte das mit erklären, warum es im Osten so viel weniger Fälle gibt als im Westen? Eine interessante Vermutung, vielleicht aber auch nur eine zufällige Übereinstimmung. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) warnt vor übereilten Schlüssen, es gebe keine Belege für einen Zusammenhang.
Internationale Studien mit TBC-Impfstoffen laufen
Ob eine jetzt neu durchgeführte Tuberkuloseimpfung einen eingeschränkten Corona-Schutz bietet, werden wir in einigen Monaten wissen: dann sollten die aktuellen Studien ausgewertet sein. Auch in den Niederlanden, England und Australien sind Testreihen mit Tuberkuloseimpfstoff angelaufen.
Wenn die Hoffnungen sich bestätigen, könnten Ärzte und Pflegekräfte sich vielleicht schon im Herbst wenigstens ein Stück weit vor Covid-19 schützen. Die Suche nach einem richtigen, zielgerichteten Impfstoff bleibt aber dringend – erst eine wirksame Corona-Impfung wird die Pandemie beenden.