China hat mit der Chang´e 6-Mission bereits jetzt Raumfahrtgeschichte geschrieben, noch bevor die Sonde auf der Erde gelandet ist. Zum ersten Mal ist es China gelungen, Proben von der erdabgewandten Seite des Mondes zu entnehmen.
Die Sonde war Anfang Mai mit einer Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Wenchang auf der südchinesischen Insel Hainan abgehoben. Landungen auf der Rückseite des Mondes gelten als technisch anspruchsvoll.
Die zwei Seiten des Monds - seine Vorder- und seine Rückseite
Mit den Gesteins- und Bodenproben im Gepäck erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Mondrückseite, die von der Erde aus nie zu sehen ist.
Wegen seiner sogenannten gebundenen Rotation zeigt er uns immer dieselbe Seite. Die sechs Apollo-Missionen der 1960er und 1970er Jahre haben nur Proben von der Vorderseite des Monds zurückgebracht. Die Rückseite sei geologisch jedoch spannender, weil älter, erklärt Raumfahrtexperte Paolo Ferri, der viele Jahre für die Europäische Weltraumagentur (ESA) gearbeitet hat:
Wahrscheinlich habe die Schwerkraft der Erde mehr vulkanische Aktivität auf der Vorderseite ausgelöst.
ESA-Zusammenarbeit mit China bei der Sonde
An Bord der Chang´e 6-Sonde war auch ein Instrument der ESA, das zum ersten Mal negative Ionen auf dem Mond nachgewiesen hat. Paolo Ferri erläutert, warum das für die Wissenschaft interessant ist:
"Der Mond hat kein Magnetfeld und keine Atmosphäre. Die geladenen Teilchen des Sonnenwinds treffen darum - anders als bei der Erde - direkt auf seine Oberfläche, interagieren mit ihr und produzieren positive und negative Ionen. Diese sind also praktisch der Schlüssel zu der Komposition der Mondoberfläche, also welche Materialien auf der Oberfläche sind."
Noch ist unklar, ob die ESA bei den chinesischen Folgemissionen Chang´e 7 und Chang´e 8 und anderen Projekten weiter mit China zusammenarbeitet. Die ESA ist bei diesem Thema nicht auskunftsfreudig. Der Grund könnte darin liegen, dass sowohl China als auch die USA planen, in den nächsten Jahren bemannt zum Mond zu fliegen.
Die ESA wiederum spielt bei dem "Artemis"-Mondprogramm der USA eine bedeutende Rolle: Ein wichtiges Modul des Orion-Raumschiffs kommt aus Europa. Es wird in Bremen bei Airbus zusammengebaut, sorgt für den Antrieb und ist das Herzstück des Raumschiffs. Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter mutmaßt darum, dass den USA eine weitere Zusammenarbeit der ESA mit China nicht recht ist:
Lagerbildung bei der Erforschung des Mondes
Sowohl die USA als auch China suchen derzeit Partner für ihre Mondprogramme. Die USA hat die sogenannten "Artemis Accords" aufgelegt. In diesen Verträgen regeln sie unter anderem rechtliche Details bei der zukünftigen Erkundung des Monds.
Auch Deutschland hat nach einigem Zögern im vergangenen September unterschrieben, damals als 29stes Land. Erst kürzlich haben die USA bekanntgegeben, dass die Slowakei als inzwischen 42stes Land die "Artemis Accords" unterzeichnet hat. Die Lagerbildung schreitet voran, denn auch die Chinesen wollen ihr Mondprogramm in internationaler Partnerschaft durchziehen, sagt Ulrich Walter:
Die Rolle Russlands
Russland kooperiert ebenfalls mit China und hat eigene Mondpläne, aber China habe Russland längst überholt, sagt der ehemalige ESA-Offizielle Paolo Ferri:
Das sieht Ulrich Walter ähnlich und ergänzt: "Die chinesische Technologie baut auf russischer auf und zwar aus den 1970er Jahren. Aber China hat sie so weiterentwickelt, dass sie eigentlich heutzutage nichts mehr mit russischer Technologie zu tun hat." Die Chinesen belächelten die russische Raumfahrttechnologie inzwischen. "Eigentlich wollen sie raumfahrttechnisch nichts mehr mit den Russen zu tun haben."
Welche Interessen verfolgen China und die USA auf dem Mond?
Nach jetzigen Planungen landen die Amerikaner vor den Chinesen mit Astronauten auf dem Mond. Die US-amerikanische Artemis III-Mission ist für September 2026 geplant, die chinesische Mission offiziell frühestens 2029.
Für die USA ist der Mond ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Mars. Auf dem Erdtrabanten wollen sie lernen, wie man im Weltraum mit Menschen für eine gewisse Zeit leben kann. Da der Mond mit rund 400.000 Kilometer Entfernung relativ nah zur Erde ist, kann man "Leben im All" hier gut testen. Bei lebensbedrohlichen Situationen etwa kann man innerhalb von drei Tagen zurück zur Erde fliegen.
Der Wissenschaftscharakter der Artemis-Missionen soll helfen, die Erkundung des Weltraums voranzutreiben. So könnte man Wassereis auf dem Mond schmelzen und aufspalten, um Raketentreibstoff - Sauerstoff und Wasserstoff - daraus zu gewinnen. Außerdem gibt es Ideen, irgendwann vom Mond zum Mars zu fliegen. Da der Mond nur ein Sechstel der Schwerkraft der Erde hat, wäre weniger Treibstoff nötig.
Für die Chinesen ist der Mond ein Prestige- und Technologieprojekt, sagt Ulrich Walter: "Zum einen geht es um Bildung für die Jugend, die Jugend soll fasziniert werden. Außerdem will man Technologien vorantreiben." Im chinesischen Fünfjahresplan stehe, dass neue Technologien gebraucht würden. Raumfahrt ist Technologietreiber. "Darum macht China das sehr umfangreiche Mondprogramm. Sie wollen den Mond mit vielen Satelliten überziehen, Mondbeobachtung machen, viele Mondlandungen und ab 2029 auch bemannt landen."
Militärische Interessen auf dem Mond
Aus heutiger Sicht scheint es nicht sinnvoll, den Mond militärisch zu nutzen und dort Waffen zu stationieren. Dafür ist der Mond zu weit von der Erde entfernt. Pläne, den Mond zu militarisieren, hatte es allerdings bereits zur Zeit des Kalten Kriegs gegeben, sie wurden aber verworfen.
Die Militarisierung des Weltraums findet jedoch trotzdem bereits statt, im niedrigen Erdorbit. Dort kreisen Satelliten, die zur kritischen Infrastruktur gehören. Laserangriffe vom Boden, Antisatellitentests mit Raketen und Annäherungsmanöver feindlicher Satelliten sind realistische Szenarien. Inwieweit die Raumfahrtnationen irgendwann einen Krieg in den Weltraum exportieren und wo dieser dann stattfindet, lässt sich heute nicht vorhersagen.