Ein startendes Flugzeug ist ein eher seltenes Ereignis in diesen Corona-Zeiten. Am Forschungsflughafen Oberpfaffenhofen bei München ist das jedoch Alltag. Regelmäßig sind in den vergangenen Wochen von hier aus die Spezialflugzeuge Falcon und Halo des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zu ausgedehnten Messflügen gestartet. Die Messflüge sind Teil des Projekts BLUESKY. Für Christiane Voigt vom DLR-Institut für die Physik der Atmosphäre erfüllt sich damit eine Art „Wissenschaftlertraum“.
Flugverkehr ist stark eingebrochen
Die Atmosphärenforscher interessieren sich vor allem für Kondensstreifen, die sichtbaren Zeichen dafür, was normalerweise hoch über unseren Köpfen los ist. Und dieser enorme Verkehr hat eine Vollbremsung hingelegt.
2019 waren im Frühjahr und Frühsommer bis zu 35.000 Flüge täglich in der Luft. In diesem Jahr brach der Luftverkehr in der Corona-Krise ab Mitte März dramatisch ein. Anfang Juni sind es immer noch 85 Prozent weniger Flüge.
Die Halo rollt zum Start – und damit geht das Projekt Bluesky (Deutsch: blauer Himmel) in die letzte Phase. Das Flugzeug ist vollgepackt mit Instrumenten: CO2-Gehalt, Stickoxide, Aerosole oder Wasserdampf – alles was unsere Atmosphäre ausmacht, wird im Flug gemessen. An Bord sind Piloten, Messtechniker und Ingenieure, am Boden warten die Atmosphärenforscher gespannt auf die ersten Daten, die in Echtzeit einlaufen.
Mira Pöhlker vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie wird die in den kommenden Stunden ständig im Blick haben und zusammen mit ihren Kollegen auf die aktuelle Route und Position der Halo achten, um, wenn nötig, per Chat direkt mit dem Bordteam Kontakt aufzunehmen.
Kondensstreifen tragen viel zur Klimaerwärmung bei
Über Frankreich fliegt die Halo in 10.000 Metern Höhe, dort wo zu normalen Zeiten der Luftverkehr besonders stark ist. Hier entstehen dann auch die Kondensstreifen, wenn wasserdampf- und rußhaltige Triebwerksabgase auf relativ kalte Luft treffen.
Die Atmosphärenforscher messen nun die Menge und Zusammensetzung von Luft-Schadstoffen in der verkehrsarmen Corona-Zeit. Der damit mögliche Vergleich mit dem Normalfall macht das Projekt Bluesky so einmalig.
Es ist die achte Halo-Mission in den vergangenen drei Wochen, Mit Flügen über Italien, Richtung Nord-Atlantik oder, wie jetzt, in einer großen Schleife über Frankreich und Spanien. Immer eng verbunden mit den Wissenschaftlern am Boden.
Corona-Krise bringt Vorteile für Atmosphärenforschung
Das Bluesky-Projekt löst eines der großen Probleme der Atmosphärenforschung. Die Wissenschaftler messen normalerweise auf einem heutigen, relativ hohen Verschmutzungslevel, das Ausgangsniveau und darauf aufbauende Entwicklungen sind schwer einschätzbar. Das hat sich Dank Corona nun geändert, sagt Mira Pöhlker.
Nach knapp acht Stunden Flugzeit und rund 4.700 Flugkilometern setzt die Halo wieder in Oberpfaffenhofen auf. Nur knapp zwei Monate hat es gedauert, von der ersten Idee bis zu diesem vorerst letzten, erfolgreich absolvierten Messflug.
In den kommenden Monaten werden die Atmosphärenforscher nun intensiv an der Auswertung ihrer Daten arbeiten, gewonnen bei einem ganz speziellen Forschungsprojekt in Zeiten von Corona. Christiane Voigt ist hörbar stolz darauf.