Gehirnforschung

Super-Recognizer vergessen kein Gesicht

Stand
Autor/in
Elena Weidt

Sie erkennen nahezu jeden wieder, auch noch nach Jahren. Die Stuttgarter Polizei setzt Super-Recognizer ein, um Verdächtige zu finden. Aber woher kommt dieses Talent?

Super-Recognizer sind Menschen mit einer besonderen Gabe: Sie prägen sich auch fremde Gesichter oder einzelne Gesichtspartien überdurchschnittlich gut ein. Auch wenn sie dieses nur ein einziges Mal gesehen haben oder sich die Menschen stark verändert haben.

Super-Recognizer jagen Verbrecher

Dieses Talent der Gesichtserkenner*Innen macht sich immer mehr die Polizei zunutze. Was 2016 in London bei Scotland Yard begann, ist auch in Deutschland angekommen: Erst kürzlich hat die Stuttgarter Polizei einen erheblichen Teil der bislang identifizierten Tatverdächtigen der "Stuttgarter Krawallnacht" mit Hilfe von Super-Recognizern gefunden.

Super-Recognizer bei der Arbeit
Michael Aschenbrenner ist ein Super-Recognizer des Polizeipräsidiums Stuttgart. Er kann besonders gut Gesichter wiedererkennen.

Erkennen fremde Gesichter in Menschenmassen

Teilweise stellten sich diese besonderen Beamte einfach in die Innenstadt und beobachten die Menschenmenge. Mit Erfolg: Das rund 50-köpfige Super-Recognizer-Team konnte Gesichter herausfiltern, die sie zuvor zum Teil nur für einen Bruchteil von Sekunden und auf im Dunkeln aufgenommen Aufnahmen gesehen haben. Das schafft kein Gesichtserkennungsprogramm. Mittlerweile kann sich sogar jeder Polizeischüler oder jede Polizeischülerin an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg auf diese Begabung testen lassen.

Kann jeder ein Super-Recognizer werden?

Erlernen oder trainieren kann man das Gesichter erkennen wahrscheinlich nicht. Eine dänische Studie untersuchte, ob Menschen mit extremen Gedächtnisfähigkeiten auch Super-Recognizer sein könnten. Sie testete dafür zwei Personen, die für ihre Gedächtnisleistung im Guiness Buch der Rekorde standen. Eine der Testpersonen konnte in ihrem Weltrekord innerhalb von 15 Minuten 215 Namen den passenden Gesichtern zuordnen. Doch bei den Gesichtserkennungstests schnitten sie nur durchschnittlich ab.

Unterschiedliche Gehirnbereiche

Die Autoren folgerten daraus, dass die Gedächtnisprofis über keine außergewöhnlichen visuellen Fähigkeiten verfügten, dass das Namenmerken und Gesichtererkennen in zwei unterschiedliche Bereichen im Gehirn stattfinden müsse.

Allerdings, so die Autoren, sollte weiter untersucht werden, ob man die Techniken der Gedächtnisprofis auf das Merken von Gesichtsmerkmalen anpassen und somit zumindest doch zum Teil trainierbar machen könnte.

Wissenschaftlich kaum erforscht

Meike Ramon gilt als eine der wichtigsten Neurowissenschaftlerinnen, die sich mit dem Phänomen befassen. Seit vielen Jahren forscht sie zu der Frage, wie unser Gehirn den Anblick bekannter und unbekannter Gesichter verarbeitet. Schätzungen zufolge verfügen nur etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung über ein exzeptionell ausgeprägtes Personengedächtnis.

Aber worauf das beruht, sei weitgehend unbekannt. Ramon kritisiert weiter, dass die mittlerweile etablierten Online-Massentests, um Super-Recognizer zu entdecken, nicht ausreichten, da nicht alle Gehirnprofis alles gleich gut könnten. Es bräuchte ein einheitliches, wissenschaftlich begleitetes Testverfahren.

Super-Recognizer wurden zufällig entdeckt

Es gibt sehr große Unterschiede in der Wahrnehmung vertrauter und unbekannter Gesichter. Dass es Menschen mit dieser Begabung gibt, beschrieb 2009 erstmals der US-amerikanische Psychologie-Professor Richard Russell. Er war während einer Forschungsarbeit über Gesichtsblindheit, der Prosopagnosie, eher zufällig auf vier Super-Recognizer gestoßen.

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Elena Weidt