Schwarze Löcher, dunkle Materie, dunkle Energie, Strings, Sparks und Quads. Die sind genauso unverstehbar, unanschaulich und unbegreifbar wie Trinität, Menschwerdung Gottes, Jungferngeburt, Auferstehung von den Toten oder die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel. Man versteht einfach nicht mehr, sondern man muss glauben. Was unterscheidet die neueste Physik von der Theologie?
Naturwissenschaft ist transparent und steht allen offen
Ein wesentlicher Unterschied ist die Transparenz. Die Naturwissenschaften stehen allen offen. Wir sind kein Geheimclub. Wir sind kein Club, der von seinen Mitgliedern irgendwie fordern würde: "Glaube!" Sondern wir sind vor allen Dingen Zweifler. Der Zweifel ist die Methode, mit der wir arbeiten. Wir nehmen nichts hin, sondern wir versuchen, soweit es nur irgendwie geht, Aussagen von anderen oder von Experimenten selbst zu überprüfen, um herauszufinden, ob denn das, was da gesagt oder behauptet worden ist, auch stimmt.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir dann die Wahrheit kennen. Aber wir kommen auf diese Art und Weise zumindest dieser naturwissenschaftlichen Realität, die um uns herum ist, etwas näher. Wir können eine ganze Menge verstehen, aber wir können nicht alles verstehen.
Das Problem ist nun, dass, je länger die naturwissenschaftliche Forschung andauert, sich immer dabei mehr auch sprachlich etwas tut. Wir entwickeln Begriffe wie dunkle Materie, dunkle Energie, schwarze Löcher und so weiter.
Für uns Naturwissenschaftler haben diese Begriffe eine gewisse Bedeutung, weil sie im Rahmen von naturwissenschaftlichen Theorien entwickelt worden sind oder einfach mal geformt worden sind. Das ist ein bisschen wie die Fachsprache anderer Handwerker, die natürlich auch ihre Abkürzungen haben. Wenn Sie sich mit einem Maschinenbauer unterhalten und sagen: "Gib mir mal einen 14er Schlüssel" – dann weiß der gleich, worum es geht und das weiß auch jeder, der mit solchen Schlüsseln zu tun hat.
Ich würde also einen deutlichen Schnitt machen wollen zwischen Naturwissenschaft und Theologie. Die Naturwissenschaften waren im Abendland eine Gegenbewegung zu jeder Art von Religion. Die Naturwissenschaften haben versucht, die Deutungshoheit der Amtskirchen zu bekämpfen. Das ist ihnen auch offenbar sehr gut gelungen. Denn große Teile der letzten 400 Jahre europäischer Kulturgeschichte waren ein einziges Rückzugsgefecht für die Theologie, weil sie sich auf den Gedanken eingelassen hat, man könne Gott als Lückenbüßer hernehmen. Denn überall da, wo das Wissen der Menschen nicht ist, da sei Gott.
Diese Auseinandersetzung würde heute dazu führen, dass wir eine Gottesvorstellung hätten, die nur noch eine Bonsai-Variante von Gott wäre. Das hat zumindest mit meinem christlichen Gottesverständnis überhaupt nichts mehr zu tun. Aber das nur am Rande.
Mathematik als Sprache der Naturwissenschaften
Der wirkliche Unterschied ist die Transparenz. Naturwissenschaften kann jeder durchführen. Alle sind eingeladen, an die Universitäten, an die Hochschulen zu kommen und Naturwissenschaften zu studieren. Das ist am Angang ein etwas steiniger Weg, weil man eine "Sprache" lernen muss. Denn die Naturwissenschaften sind auch eine sprachliche Auseinandersetzung. Weil wir eine quantitative, also messende und berechnende Wissenschaft sind, ist die Sprache, mit der wir uns mit der Natur auseinandersetzen, die Mathematik. Die Mathematik macht uns immer die größten Schwierigkeiten. Aber wir müssen in der Lage sein, zu erklären, was wir tun. Jeder Mann und jede Frau kann sich beteiligen, die Laboratorien und Universitäten stehen allen offen.
Das unterscheidet uns schon von jeder Religion, die ja gewissermaßen verlangt, das zu glauben, was an Glaubenssätzen irgendwann mal definiert worden ist. Und da sind wir in den Naturwissenschaften natürlich eher in einem Prozess. Wir haben kein Weltbild in dem Sinne "Das ist so und so und so." Sondern es ist ein Prozessbild.
Es gibt durchaus naturwissenschaftliche Überlegungen zur Bedeutung von Religion; die sogenannte Prozesstheologie, wonach sich nicht nur unser Gottesbild verändert, sondern sich unser gesamtes Weltverständnis nicht zuletzt dadurch verändert, dass wir Naturwissenschaften betrieben und festgestellt haben, wie wunderbar die Welt ist.
Stoßen auch Astrophysiker an Grenzen des Verstehbaren?
Ja, natürlich. Man darf nicht unterschätze: Ein großer Teil der Naturwissenschaften ist Handwerk. Das Handwerkszeug gehört dazu und man lernt erst mal, mit den Dingen umzugehen, sie erst mal zu handhaben, bevor man sie durchdringt und bevor man auch versteht: "Mensch, das eine hängt mit dem anderen ja so und so zusammen!" Bis dahin vergeht eine Zeit.
Kenntnisse verwandeln sich in Erkenntnisse
Man kann es auch vergleichen mit jemand, der ein Musikinstrument spielt. Da müssen Fingerübungen gemacht werden und Kompositionslehre. Erst, wenn du das einigermaßen kannst, kannst du anfangen zu improvisieren.
Ein großer Teil von "Erkenntnis" hat ja mit "Kenntnis" zu tun. Das heißt, man muss erst einmal Kenntnisse haben, die sich dann in Erkenntnisse verwandeln. Ich glaube, dass viele da sehr ungeduldig sind. Sie wollen sofort etwas sein, anstatt etwas zu werden. Dieser Werde-Vorgang, gerade wenn man Naturwissenschaften oder Philosophie betreibt, dieses langsame Werden, dieses langsame Wachsen – das ist so wichtig, um a) anzuerkennen: Es gibt Grenzen. Aber b) auch zu wissen, was man kann – und was man nicht kann.
SWR 2008
Astrophysik Warum dreht sich im Universum alles?
Es würde sich alles nicht drehen, wenn die Welt perfekt wäre. Wenn sich alles um ein gewisses Zentrum herum bewegen könnte und wenn alles symmetrisch wäre, dann würde sie sich nicht drehen. Von Harald Lesch
Physik Wie gefährlich ist der LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN in Genf?
Wir gehen davon aus, dass die Naturgesetze, die wir auf der Erde kennen und die wir in solchen Experimenten überprüfen, immer und überall gültig gewesen sind. Wenn das der Fall war und ist, dann können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass im frühen Kosmos keine schwarzen Löcher entstanden sind in dieser Menge. Sonst wären wir nicht da. Mit anderen Worten: Wenn der Large Hadron Collider die Bedingungen des frühen Kosmos abbildet, dann können auch da keine großen schwarzen Löcher entstanden sein und auch keine kleinen schwarzen Löcher, die irgendwelche Auswirkungen auf ihre Umgebung gehabt haben können. Von Harald Lesch
Religion
Bibel Wie sah die Harfe von König David aus dem Alten Testament aus?
Von der antiken Harfe gibt es bildliche Darstellungen, auch in der Literatur des Mittelalters. Wie müssen wir uns das Instrument vorstellen? Von Conny Restle
Kirche Wie wurden und werden Kathedralen finanziert?
Für den Bau der Kirche verantwortlich war früher wie heute der jeweilige Bauherr. Im Fall des Ulmer Münsters war das z. B. die Pfarrgemeinde, die Stadtgemeinde. Die musste das Geld zusammenbringen. Bei den Kathedralkirchen musste das jeweilige Domkapitel das Geld aufbringen. In beiden Fällen waren immer Stiftungen erwartet und kamen auch. So war es z. B. beim Bau der Kathedrale von Strasbourg üblich – und das gilt auch für den mittelalterlichen Dom – das jeder Bürger, der es sich irgendwie leisten konnte, in seinem Testament einen Anteil für den Kathedralbau bestimmte. Von Barbara Schock-Werner