Beim Supermarktbesuch spüren wir die Inflation besonders stark: Lebensmittel sind in den vergangenen vier Jahren um rund 30 Prozent teurer geworden, manche Preise haben sich sogar verdoppelt.
Da sind Sonderangebote eine willkommene Sparmöglichkeit. Die reduzierte Ware scheint jedoch häufig sehr schnell vergriffen zu sein. Viele Kunden vermuten dahinter eine Strategie des Handels. Stimmt dieser Eindruck?
Stichprobe: Wie lange sind Angebote verfügbar?
Marktcheck macht eine Stichprobe in verschiedenen Supermärkten, prüft an mehreren Tagen, welche Sonderangebote überhaupt verfügbar sind.
Los geht's bei Kaufland. Im Angebot: die Großpackung Lindor-Pralinen. Nur sind die hier leider aus...
Schade für Kunden, die extra deswegen hingefahren sind. Auf Nachfrage sagt uns die Verkäuferin, die Zentrale hätte nicht geliefert. Da käme jetzt auch diese Woche leider nichts mehr. Dafür bietet man uns an, die kleinere Packung für den günstigeren Kilopreis aus der Aktion zu kaufen.
Dass die Kunden die kleinere Packung zum günstigeren Kilo-Preis aus dem Angebot bekommen, gilt laut Kaufland in allen Filialen – unser Reporter musste dafür allerdings nachfragen.
Nachfrage unerwartet groß?
Bei Kaufland heißt es dazu weiter: "Trotz unserer sorgfältigen Planungen können wir es (...) nicht gänzlich ausschließen, dass ein Artikel stärker als erwartet nachgefragt wird und bereits am ersten Verkaufstag nicht mehr verfügbar ist."
Unsere Stichprobe setzen wir bei Aldi Süd fort. Das Angebot hier: die Marken-Erdnuss-Flips von Lorenz um 59 Prozent reduziert. Am Tag zwei der Angebotswoche sind die jedoch - leider nicht vorhanden.
Filiale zu klein?
Man sagt uns, die Filiale sei zu klein. Man habe die Erdnussflips auch gar nicht mehr im Sortiment. Dabei macht die Filiale keinen besonders kleinen Eindruck auf unseren Reporter.
Auf Nachfrage teilt uns Aldi Süd mit: "Grundsätzlich gibt es in allen rund 2.000 Aldi Süd-Filialen die wöchentlichen Aktionsartikel, ob im Food- oder Non-Food-Bereich. Die Aldi Süd-Filialen sind im Schnitt rund 1.000 Quadratmeter groß. In besonders kleinen Filialen wird der Fokus stärker auf frische Lebensmittel sowie auf vegane und Bio-Produkte gelegt."
Nur, solange der Vorrat reicht?
Aber wie ist eigentlich die Rechtslage, wenn Angebote schnell ausverkauft sind oder gar nicht erst in den Laden kommen?
In den Prospekten steht im Kleingedruckten häufig ein Hinweis auf Mengenbegrenzungen beim Angebot. Damit sicherten sich die Händler ab, sagt Manuela Mülot von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. Denn sonst sollten die Artikel zumindest für zwei Tage vorrätig sein.
"Wenn kein Hinweis vorhanden und das Produkt innerhalb von weniger als zwei Tagen ausverkauft ist, dann muss der Händler nachweisen, dass er ausreichend Maßnahmen getroffen hat oder eine ausreichende Warenmenge bestellt hat und vorrätig hatte", so Wettbewerbsrechtlerin Mülot.
Ansonsten könne die Wettbewerbszentrale den Händler abmahnen und sogar eine Unterlassungserklärung durchsetzen. In der Theorie.
In der Praxis ist es gar nicht so einfach - der Händler kann viele Gründe für das Fehlen der Ware anführen. "Da kann er beispielsweise sagen, dass der Ansturm unerwartet hoch war, also die Nachfrage besonders hoch war und er damit nicht gerechnet hatte. Er könnte vortragen, dass es Beschaffungsschwierigkeiten gab", so Mülot.
Harter Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel
Auch wenn die leeren Regale für Kunden ärgerlich sind – im Sinne der Händler seien sie auch nicht, sagt Handelsexperte Hermann Sievers. "Es mag hier und da noch Lockvogelangebote geben. Aber der Händler hat grundsätzlich kein Interesse daran, dass die Ware vorzeitig ausverkauft ist."
Sievers war Deutschland-Chef für Marketing beim Branchen-Riesen Edeka und jahrelang im Handel tätig. "Wir haben es in Deutschland wirklich mit einem sehr harten Wettbewerb im Lebensmittelhandel zu tun. Natürlich geht es darum, den Kunden dauerhaft an den Markt zu binden und dass der Kunde möglichst viel von seinem Wocheneinkauf in diesem Markt macht und nicht bei den anderen."
Hinter den Kulissen: Wie kommt es zu Sonderangeboten?
In sogenannten Jahresgesprächen vereinbaren Händler und Hersteller, in welchem Zeitraum bestimmte Produkte preisreduziert angeboten werden. Dafür bezahlt die Industrie oft Werbekostenzuschüsse, damit sich das Geschäft für den Handel lohnt.
"Der Handel trägt nicht vollständig den Rabatt, den er dem Kunden ausspricht. Da muss der Hersteller sich beteiligen. Ich werde als Händler ja kein Produkt listen, wo ich dauerhaft Verlust mache", sagt René Schumann von der Negotiation Advisory Group.
Schumann unterstützt die Hersteller bei den Verhandlungen, wer wieviel der Sonderangebote finanziert. "Es geht intensiver zur Sache, es wird teilweise auch laut", so Schumann.
Denn für die Hersteller von Markenprodukten ginge es dabei häufig um den schmalen Grat zwischen Masse und Klasse. "Wenn ein Produkt ständig mit Rabatten umworben wird, dann verliert es auch an Wertigkeit", so Schumann. Bei so langfristiger Planung – wie sieht das in der Praxis aus?
Stichprobe bei Aldi Süd und Netto
Zurück zu unserer Stichprobe: Die meisten Sonderangebote gibt es tatsächlich. Trotzdem entdecken wir leere Regale, zum Beispiel beim Markenwasser bei Netto oder beim Spinat bei Aldi Süd – der war schon an Tag zwei aus.
Wer ist schuld: Händler, Hersteller oder der Wettbewerb?
Für geplante Aktionswochen muss der Hersteller in der Regel mehr produzieren. Gibt es hier Probleme und damit zu wenig Ware, kann es sein, dass die Regale frühzeitig leer sind.
Handelsexperte Sievers erklärt: "Dann zieht der Handel eine Werbewoche um zwei Wochen vor, weil der Wettbewerb möglicherweise diesen Artikel besonders promotet, gibt die Order an den Hersteller. Die Order ist viel größer, als erwartet. Die Ware ist beim Hersteller noch nicht fertig. Das kann dazu führen, dass die Ware nicht rechtzeitig im Markt landet."
Expertentipp für Schnäppchen
Um möglichst sicher ein Angebot zu bekommen, empfiehlt Sievers: Gleich am ersten Tag losziehen, dann aber erst mittags auf Einkaufstour gehen.
Hat man dann trotzdem Pech, kann es sich lohnen, konkret nachzufragen. Manchmal liegt noch Ware im Lager oder wird nachgeliefert. Zumindest erfährt man, ob es sich lohnt, noch einmal wiederzukommen.