Gestärktes Herz fördert seelisches Wohlbefinden
Die Forscher*innen haben einerseits erkannt, dass Depressionen, Stress oder Misshandlungen Herzerkrankungen auslösen können. Und andererseits Patient*innen nach einem Infarkt oder einer Herz-OP oft unter Albträumen und Ängsten leiden.
Studien zeigen auch, dass spezielle Psychotherapien bei Herzproblemen entlasten und im Idealfall für den besseren Krankheitsverlauf sorgen. Ein gestärktes Herz wiederum fördert das seelische Wohlbefinden.
Herz und Psyche in der Medizin gleichermaßen berücksichtigen
Wie wichtig es ist, Herz und Psyche gleichermaßen zu berücksichtigen, steht mittlerweile in den internationalen wie nationalen Leitlinien für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Professor Christoph Herrmann-Lingen, Psychosomatische Medizin Universitätsmedizin Göttingen, nennt drei wichtige Aspekte:
Auf die Angst ums Herz eingehen
Prof. Herrmann-Lingen kritisiert, dass all das noch zu selten umgesetzt wird. Es gibt Reha-Kliniken, die sich auf die Psychokardiologie spezialisiert haben. Einzelne Krankenhäuser haben Ambulanzen und sogar psychokardiologische Stationen eingerichtet. Der ehemalige Herzchirurg Rainer Moosdorf findet das richtig:
Rainer Moosdorf war viele Jahre Abteilungs-Direktor der Uniklinik Marburg. Er erzählt: Durch die Studien zur Psychokardiologie sei ihm klar geworden, dass Eingriffe am Herzen mehr sind als eine Operation, die vom Können des Chirurgen abhängt. Ganz entscheidend sei, dass auch er als Operateur zusammen mit den Patientinnen und Patienten auf ihre Angst um ihr Herz eingehe:
Viele leiden nach Herz-OP an Ängsten, Schlafstörungen und Depressionen
In Deutschland werden jährlich rund 1,7 Millionen Menschen mit einer Herzkrankheit behandelt. Klinische Studien belegen, dass jede fünfte bis zehnte Person nach einem Herzinfarkt oder einer Operation am Herzen in den Wochen danach eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt: Die Herzkranken haben vielleicht eine Reanimation durchlebt oder waren an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und absolut ausgeliefert an die Medizin. Sie lagen eine Weile auf der Intensivstation – und litten später an Ängsten, Alpträumen und Schlafstörungen, einer Depression oder einer Übererregbarkeit.
Auch ein Herzschrittmacher erzeugt als Fremdkörper oft Unruhe, ein implantierter Defibrillator kann in Panik versetzen, wenn er bei Herzrhythmusstörungen einen Stromstoß auslöst. Nicht wenige fürchten auch, dass ihre Herz-Beschwerden wiederkehren oder sich verschlimmern. Das hat oft zusätzliche schwerwiegende Folgen.
Egon Schmitt [Name geändert] ist ein großer kräftiger Mann, 71 Jahre alt, ein Bauingenieur. Die Herz-Operation war für ihn ein heftiger Einschnitt im Leben. Für SWR2 Wissen ist er an die Psychologische Abteilung der Universität Marburg gekommen, wo ihn die Psychologin Laura Gärtner behandelt.
Studie PSY-HEART II: Vor der OP 4 Gespräche zwischen Patient und Psychologe
Die Psychologin Laura Gärtner hat Egon Schmitt rund um seine Operation psychologisch betreut, denn Egon Schmitt hat an einer Studie der Uniklinik Marburg teilgenommen: "PSY-HEART II": Die Psyche und das Herz. Während dieser wissenschaftlichen Untersuchung, die sich bereits im zweiten Durchlauf befindet, sprechen Psychologinnen und Psychologen viermal vor einem Bypass-Eingriff mit den Erkrankten.
Die Psychologin Laura Gärtner sagt, es gehe dabei darum, ...
Delir und Schmerzen: Patientinnen und Patienten sollen vorbereitet sein
Auch soll den Patientinnen und Patienten klar sein, was auf sie zukommt. Wie ist es auf der Intensivstation? Gerade Bypass-Operierte erleben nach der OP häufiger als andere ein sogenanntes Delir, eine Verwirrtheit oder Desorientierung. Sich darauf vorzubereiten und auch zu überlegen, was helfen könnte mit Schmerzen umzugehen, kann sehr erleichternd sein.
Zur Unterstützung erhalten die Patienten die "Herzfibel", ein Arbeitsheft im DIN-A4-Format.Auf 30 Seiten erklären Texte und farbige Illustrationen, wie eine Bypass-Operation das Leben rettet und wie sie abläuft. "Ich bin gewappnet für Nebenwirkungen" heißt ein Kapitel, ein anderes "Mein Werkzeugkoffer gegen unangenehme Empfindungen". Es folgen Ideen für Aktivitäten nach der OP und "Meine Botschaft an mich selbst".
Zukunftspläne zu schmieden – das kam dem 71-jährigen Herzpatienten Egon Schmitt besonders entgegen.
SWR 2022