PTBS: vielfältige körperliche und psychische Symptome
Schlaflosigkeit, Flashbacks, das Gefühl der Wertlosigkeit oder Angstzustände sind nur einige der vielfältigen körperlichen und psychischen Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung. Die Wahrscheinlichkeit bei Männern, zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens an PTBS zu erkranken, wird auf 5 bis 6 Prozent geschätzt, bei Frauen sind es sogar 10 bis 12 Prozent.
Traumata müssen nicht an ein einschneidendes Ereignis geknüpft sein
Lange Zeit gab es die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung, kurz PTBS, nur für einzelne Traumata. Im aktuellen ICD-11, der Internationalen Klassifikation von Erkrankungen, ist nun auch die komplexe posttraumatische Belastungsstörung aufgeführt. Komplex heißt, dass mehrere Traumata über einen längeren Zeitraum hin bestanden.
Traumata wirken sich auf körperliche Gesundheit aus und schädigen DNA
Psychischer Stress verursacht häufig erhöhten oxidativen Stress in den Zellen. Vor allem die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, werden dabei überlastet. Das führt zu chronischen Erschöpfungszuständen und beeinträchtigt den generellen Gesundheitszustand. Deshalb sollten gerade traumatisierte Menschen besonders darauf achten, gut mit Mikronährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen versorgt zu sein.
Doch auch unsere Erbsubstanz wird von Traumata in Mitleidenschaft gezogen, so Iris Tatjana Kolassa, die an der Universität Ulm erforscht, wie sich die PTBS auf Zellebene auswirkt. Das ist ein Bereich, der bislang noch wenig untersucht ist.
Welche Therapien sind hilfreich bei PTBS?
An der Uni Ulm leitet Iris Tatjana Kolassa ein Projekt namens ENHANCE. Darin wird verglichen, wie wirksam unterschiedliche Therapiemethoden sind. Doch welche Therapien gibt es bei PTBS? Im folgenden werden vier Therapieformen vorgestellt.
Trauma-fokussierte Psychotherapie
Der Psychologe Roberto Rojas leitet den verhaltenstherapeutischen Teilbereich des ENHANCE Projektes an der Uni Ulm und erklärt den Prozess einer trauma-fokussierten Psychotherapie:
Auf diese Weise soll erreicht werden, dass die Patienten Wege finden, mit der traumatischen Erinnerung umzugehen.
Dennoch gibt es viele Patienten, die trotz jahrelanger Psychotherapie keine Besserung erfahren. Jenseits von Verhaltenstherapie und psychodynamischen Ansätzen gibt es inzwischen eine Reihe von anderen therapeutischen Verfahren, die für die Verarbeitung von Traumata gute Ergebnisse zeigen.
EMDR – Eye movement desensitization and reprocessing
Hinter der englischen Abkürzung EMDR verbirgt sich eine Beschreibung des Verfahrens: Eye movement desensitization and reprocessing, also zu Deutsch "Desensibilisierung und Aufarbeitung mithilfe von Augenbewegungen".
Karsten Böhm ist psychologischer Psychotherapeut und Vorstand von EMDRIA Deutschland, der Fachgesellschaft, die sich für Psychotraumatologie einsetzt, also für die Erforschung und Behandlung von psychischen Traumafolgen. Er erklärt:
Während die Patientin an Aspekte ihres Traumas denkt, wird sie dazu angehalten, ihre Augen regelmäßig hin und her zu bewegen.
EMDR ist inzwischen ein anerkannter Bestandteil der Leitlinien für Traumatherapie. Die Wirksamkeit der Methode ist wissenschaftlich anhand von zahlreichen Einzelstudien und einer groß angelegten Metastudie gut belegt, so Böhm. EMDR sei zudem eine vergleichsweise stressarme Methode, um sich dem eigenen Trauma zu stellen, so Böhm.
Die Methodik von EMDR eignet sich also auch für Menschen, die Widerstände gegen eine Therapie haben, weil die Konfrontation mit dem Trauma sie überfordert. Das führe laut Karsten Böhm auch zu weniger Therapieabbrüchen.
Hypnose
Hypnose ist in den Leitlinien nicht als eigenständige Therapieform aufgeführt, kann aber im Rahmen anderer Therapieformen angewendet werden. Doch viele Menschen haben Vorbehalte gegen die Hypnose.
Tatsächlich erleben wir einen gewissen Kontrollverlust, wenn wir uns auf Hypnose einlassen. Deshalb ist hier ein hohes Maß an Vertrauen in die therapeutische Beziehung notwendig. Doch genau dieser Kontrollverlust öffnet uns Wege der Verarbeitung, die uns im Alltagsbewusstsein verschlossen bleiben, so Revenstorf vom Milton Erickson Instituts für Klinische Hypnose in Tübingen:
Die Hypnose kann so helfen, einen neuen Zugang zu Gedanken und Gefühlen zu bekommen. Ein Trauma verankert sich jedoch nicht nur in der Psyche, sondern auch im Körper.
Somatic Experiencing
Der US-amerikanische Biophysiker und Psychologe Peter Levine hat untersucht, welche körperlichen Prozesse bei einer traumatischen Erfahrung ablaufen. Die Körper- und Traumatherapeutin Gude Dose erklärt Levines Erkenntnisse folgendermaßen:
Viele traumatisierte Menschen berichten von einem Gefühl des "Eingefrorenseins". Dieses Feststecken in der traumatischen Erfahrung zeigt sich in unserem gesamten Nervensystem, sagt Traumatherapeutin Gude Dose:
Somatic Experiencing zielt darauf ab, nicht nur auf der mentalen und emotionalen Ebene zu arbeiten, sondern die Körpergefühle und die Mimik der Betroffenen in die therapeutische Arbeit einzubeziehen. Doch Somatic Experiencing wird bislang noch nicht von den Krankenkassen übernommen. Mit ihrem Fokus auf die körperlichen und neuronalen Vorgänge deckt diese Methode jedoch ein therapeutisches Feld ab, das gerade bei Traumata wichtig ist.
Eine posttraumatische Belastungsstörung verankert sich somit nicht nur in der Psyche, in den Gedanken und Gefühlen. Sie führt zu Stress, der unser Nervensystem dauerhaft überlastet und uns lähmt, der das Leben einfrieren lässt. Der unseren Körper und Organismus schädigt, und das bis in unsere genetische Substanz. Deshalb reicht eine herkömmliche Psychotherapie nicht immer aus. Auch wenn nicht alle Verfahren von der Krankenkasse übernommen werden, es gibt viele bereits bewährte und neue Therapieformen, die auch bei langjährigen Traumata helfen können.