Das Programm – Informationen zum Künstler und den Werken

Andrew von Oeyen am 20.9.2024

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Programm
Andrew von Oeyen
Alban Berg
Ludwig van Beethoven
Franz Liszt
Richard Wagner / Franz Liszt
Giuseppe Verdi / Franz Liszt
Sendetermin
Die nächsten Konzerte
Service

Programm

Alban Berg: Sonate op. 1

Ludwig von Beethoven: Sonate f-Moll op. 57, „Appassionata"                                              

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Franz Liszt: Aus „Années de Pèlerinage, Première Année – Suisse“ S160:                                                     
Nr. 2 Au lac de Walenstadt. Andante placido
Nr. 3 Pastorale. Vivace
Nr. 4 Au bord d'une source. Allegretto grazioso
Nr. 6 Vallée d'Obermann. Lento assai                                                                    

Richard Wagner / Franz Liszt: „Elsas Brautzug zum Münster“ aus der Oper „Lohengrin“, Transkription für Klavier S 445 Nr. 2 

Giuseppe Verdi / Franz Liszt: Konzertparaphrase über das Quartett aus der Oper „Rigoletto" für Klavier S 434      

Andrew von Oeyen

Andrew von Oeyen, international für seine einfühlsame, elegante Klavierkunst und eine brillante Technik gefeiert, hat sich als einer der faszinierendsten Pianisten seiner Generation etabliert. Seit seinem Debüt im Alter von 16 Jahren mit Los Angeles Philharmonic unter Esa-Pekka Salonen präsentiert er weltweit ein breites Spektrum an Konzert- und Solo-Repertoire. Als Solist trat er in den USA u.a. mit den großen Orchestern der Metropolen von Philadelphia bis Atlanta und Seattle sowie mit Festivalorchestern wie Ravinia und Spoleto USA auf. International wurde er vom Mariinsky Orchestra, BBC Symphony Orchestra, von den Berliner Symphonikern, den Prager Philharmonikern, von New Japan Philharmonic, Buenos Aires Philharmonic und vielen mehr eingeladen. Für den Sultan des Oman gestaltete er zwei Silvestergalas im Royal Opera House in Maskat.

Andrew von Oeyens Leidenschaft gilt auch dem Kunstlied; als Liedpianist konzertierte er mit herausragenden Sängerinnen und Sängern auf vielen wichtigen internationalen Podien. Seit 2017 ist er Exklusiv-Künstler des Labels Warner Classics. Seine von der Kritik hochgelobten und ausgezeichneten Alben umfassen Musik von Bach und Beethoven bis hin zu Debussy, Gershwin, Ravel und Saint-Saëns. Der gebürtige Amerikaner mit deutsch-niederländischen Wurzeln und französischem Pass lebt in Los Angeles und Paris. Er wurde in New York an der Columbia University und an der Juilliard School u.a. bei Herbert Stessin und Jerome Lowenthal ausgebildet; zu seinen Mentoren zählten Alfred Brendel und Leon Fleisher.  

Alban Berg (1885 – 1935)

Sonate op. 1   
Mäßig bewegt                                                                       

Der Philosoph Theodor W. Adorno kam mit 21 Jahren nach Wien, um als Privatschüler bei Alban Berg Kompositionsunterricht zu nehmen, und betonte, den Zugang zu dessen Musik könne man am ehesten über die Klaviersonate op. 1 erhalten. Tatsächlich ist sie aber auch ein Schlüssel zur Neuen Musik generell. Das in den Jahren 1907 und 1908 komponierte Werk gehört zu den meist gespielten der Neuen Wiener Schule. Als Berg es in Wien dem Publikum vorstellte – die Einordnung als Opus 1 erfolgte auf Rat seines Lehrers Arnold Schönberg –, musste er sich an der Sonatenkunst eines Franz Schubert oder Ludwig van Beethoven messen lassen. Die Uraufführung 1911 durch die Pianistin Etta Werndorf erntete vor allem Widerspruch: Das einsätzige Werk, das harmonisch und formal über die Grenzen der Spätromantik hinausgeht, führt die Wiener Tradition zwar fort, wirkte auf das Publikum jedoch zutiefst befremdlich. Doch auch hier erlebt man ganz klassisch die formale Anlage der Sonatenhauptsatzform mit Exposition, Durchführung und Coda.

Ludwig von Beethoven (1770 – 1827)

Sonate f-Moll op. 57, „Appassionata"
Allegro assai · Lento assai · Andante con moto · Allegro ma non troppo

„Die ‚Appassionata‘ von Ludwig van Beethoven ist eines der Gipfelstücke der klassischen Klaviersonaten“, schreibt der Musikwissenschaftler Jens Østergaard und bezeichnet sie als spirituelle Aussage von konkurrenzloser Konzentration und Leidenschaft. Beethovens Klavierschüler Ferdinand Ries berichtet über die Entstehung von Opus 57, den ganzen Tag habe der Komponist mit sich selbst gesprochen oder sogar „theilsweise geheult“, ohne auch nur einen einzigen genauen Ton zu singen. Als Ries ihn fragte, was er da mache, antwortete Beethoven, ihm sei das Thema für das letzte Allegro in der Sonate eingefallen, an der er gerade arbeite. „Wieder zuhause, rannte er zum Klavier, ohne auch nur den Hut abzunehmen“, erinnert sich der Schüler. Wie im Rausch habe Beethoven komponiert. Das Thema der „Appassionata“, der „Leidenschaftlichen“, ist der Kampf mit unbedingtem Siegeswillen, auch wenn Opus 57 letztendlich eine Niederlage abbildet: Der erste Satz vibriert geradezu von einer gnadenlos gehaltenen Spannung der extremen Gegensätze, während das folgende Andante Entspannung nur vorspiegelt, denn die Stimmung des Finales ist eine geradezu fatalistische Dunkelheit. Das Werk scheint eher orchestral gedacht und zieht alle technischen Register, was höchste pianistische Ansprüche stellt.

Ludwig van Beethoven
Ludwig van Beethoven

Franz Liszt (1811 – 1886)

Aus „Années de pèlerinage, Première année: Suisse“ S 160:
Nr. 2 Au lac de Walenstadt.
Andante placido
Nr. 3 Pastorale.
Vivace
Nr. 4 Au bord d'une source.
Allegretto grazioso
Nr. 6 Vallée d'Obermann.
Lento assai                     

Die drei Bände der „Années de pèlerinage“ gehören zum Kern des Klavierschaffens von Franz Liszt: Es sind Stücke, die von einem vierzigjährigen Leben zwischen dem Hochgefühl der Reise und der Introvertiertheit des Rückzugs zeugen. Im ersten Band „Suisse“ verarbeitete der Komponist Eindrücke eines ausgedehnten Schweiz-Aufenthalts während der Jahre 1835/36. Dem zweiten Satz „Au lac de Wallenstadt“ („Am See von Wallenstadt“) stehen Zeilen des englischen Dichters Lord Byron aus „Childe Harolds Pilgrimage“ voran: „In der wilden Natur, in der ich weilte, ist etwas, das mich warnt mit seiner Unbewegtheit, den trüben Wassern der Welt zu entsagen für eine reinere Quelle.“ Nach einer stimmungsvollen Pastorale im dritten Satz mit springendem Bass im Hauptthema und einer lebendigen zweiten Melodie erklingt der vierte Satz „Au bord d’une source“ („An einer Quelle“), in der Liszt Friedrich Schillers Gedicht „Der Flüchtling“ zitiert: „In säuselnder Kühle beginnen die Spiele der jungen Natur.“ Im sechsten Satz „Vallée d’Obermann“ („Tal Obermanns“) beschreibt der Komponist schließlich eine alpine Landschaft und spielt damit auf den romantischen Briefroman „Obermann“ von Étienne Pivert de Senancour (1770 – 1846) an, in dem ebenfalls Naturbeschreibungen einen großen Raum einnehmen: Der Protagonist wird von einer „tristesse d'une vague profonde“ befallen, einer unerklärlichen Welle der Melancholie, die ihn verzweifelt von einem Ort zum anderen treibt. Liszt übersetzt hier Eindrücke und Literatur in Musik, transkribiert Bilder und Worte in Noten und Töne.

Richard Wagner (1813 – 1883) / Franz Liszt

„Elsas Brautzug zum Münster“ aus der Oper „Lohengrin“, Transkription S 445 Nr. 2

Auch Musik an sich war für Franz Liszt eine Sprache, die sich wiederum in sich selbst übertragen lässt. So transkribierte er beispielsweise die Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens für Soloklavier. In Liszts Oeuvre nehmen diese Bearbeitungen und Paraphrasen einen großen Raum ein. Dabei werden die Werke nicht nur eins zu eins auf die Tasten übertragen, sondern in virtuose Klanggemälde verwandelt, wobei er eigene Gedanken einfließen lässt.

Die Transkription von „Elsas Brautzug zum Münster“ aus Richard Wagners Oper „Lohengrin“ dokumentiert das Verhältnis der beiden Komponisten, die auch Privates verband: Wagner heiratete Liszts Tochter Cosima und fand in ihr eine Partnerin, die ihm lebenslang wesentliche Impulse und Unterstützung zukommen ließ. Liszt seinerseits war ein glühender und hingebungsvoller Verehrer Wagners und förderte den Kollegen einerseits durch die Aufführung von dessen Opern, andererseits durch Klavier-Transkriptionen, um die Musik seines Idols leichter zugänglich und populärer zu machen. Er hatte die Uraufführung von „Lohengrin“ am 28. August 1850 im Weimarer Hoftheater geleitet und übertrug diesen Moment 1852 mit kundigem und doch zurückhaltendem Gestus auf die Klaviatur: Es gibt keine einzige Note, die nicht in Wagners Partitur enthalten ist, während Liszts Verteilung des gleitenden Zusammenspiels der Stimmen und der sanften Synkopen dessen flüchtige Ausstrahlung wiedergibt. Durch die Transkription der Orchesterklänge auf das Klavier produzierte Liszt somit nicht nur den Klavierauszug einer Opernpartitur, sondern ein eigenständiges neues Kunstwerk.

Giuseppe Verdi (1813 – 1901) / Franz Liszt

Konzertparaphrase über das Quartett aus der Oper „Rigoletto" S 434       

Anders als eine Transkription, d.h. die Übertragung eines Werks auf ein Instrument, handelt es sich bei einer Paraphrase um ein Originalwerk, das auf dem Thema einer kompositorischen Vorlage basiert. Drei Themen aus Giuseppe Verdis „Rigoletto“ hat Liszt in einer glanzvollen Konzertparaphrase verarbeitet, deren Höhepunkt das Finale mit dem Thema des Quartetts aus dem dritten Akt „Bella figlia dell’amore“ („Schöne Tochter der Liebe“) bildet. Es ist eine Szene voller Dramatik: Während der lüsterne Herzog von Mantua seiner neuesten Eroberung Maddalena den Hof macht, wird er unwissentlich von Rigoletto und seiner Tochter Gilda beobachtet. Rigoletto hat sie mitgebracht, damit sie Zeuge der Untreue des Herzogs wird, in der Hoffnung, dass dies ihr Schwärmen für den Adligen beenden würde. Stattdessen reagiert Gilda, die immer noch hoffnungslos in den Herzog verliebt ist, mit verzweifeltem Schluchzen und Rigoletto schwört, den Lüstling von einem Mörder töten zu lassen. Doch die Tochter opfert ihr Leben, um den Herzog vor dem Attentäter zu retten.

Verdi gab jeder der Figuren in diesem „Doppelduett“ eine eigene musikalische Identität: Die Hauptmelodie repräsentiert die Verführung von Maddalena durch den Herzog, die ihn in kurzen Stakkato-Phrasen zurückweist. Gilda hingegen bringt ihre Verzweiflung in einer schnell absteigenden Passage zum Ausdruck, bevor Rigoletto die Sorge um seine Tochter und seine Rachegelüste zum Ausdruck bringt. Victor Hugo, auf dessen Drama „Le Roi s‘amuse“ („Der König amüsiert sich“) Verdis „Rigoletto“ basiert, zeigte sich beeindruckt von Verdis Musik – und davon, wie sie es ermögliche, die Emotionen aller vier Figuren auf einmal zu hören, ohne dass sie sich voneinander abheben. Darin, wie Liszt diesen Effekt erreicht, obwohl er nur für Soloklavier schrieb, besteht die größte Herausforderung – und Leistung – seiner Rigoletto-Paraphrase.

Sendetermin

SWR Kultur Mittagskonzert am Montag, 25. November 2024, 13.05 bis 14.58 Uhr

Die nächsten Konzerte

Yu Kosuge am 15.11.2024
Anton Mejias am 6.12.2024
Bruce Liu am 31.1.2025
Martin Helmchen am 11.4.2025
Louis Lortie am 13.6.2025

Alle Informationen zu den Konzerten der SWR Kultur Internationale Pianisten in Mainz finden Sie hier

Andrew von Oeyen, Yu Kosuge, Anton Mejias, Bruce Liu, Martin Helmchen, Louis Lortie
SWR Internationale Pianisten in Mainz, Saison 2024/2025 v.l.n.r.: Andrew von Oeyen, Yu Kosuge, Anton Mejias, Bruce Liu, Martin Helmchen, Louis Lortie

Service

Adresse
Frankfurter Hof, Augustinerstr. 55, 55116 Mainz
Beginn: 19 Uhr, Einlass: 18 Uhr

Impressum
Herausgeber Südwestrundfunk, SWR Kultur Musik Rheinland-Pfalz
Sabine Fallenstein, SWR Kultur Musik Rheinland-Pfalz, Konzeption und Redaktion
Dorothea Sidenstein, SWR Kultur Musik Rheinland-Pfalz, Redaktionsassistenz
Jan-Geert Wolff, Programmheftautor
Sämtliche Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft

Mit freundlicher Unterstützung der Landeshauptstadt Mainz

Sonstige Informationen
Wir weisen freundlich darauf hin, dass unautorisierte Bild- und Tonaufnahmen jeglicher Art bei dieser Veranstaltung untersagt sind.

Stand
Autor/in
SWR