Sommer in Garmisch-Patenkirchen, irgendwann in den 1910er Jahren. Der Karlsruher Generalmusikdirektor Cortolezi erholt sich mit seiner Frau in seinem Haus in den Bergen und besucht seinen Nachbarn und Freund Richard Strauss. Mit dabei die mit Cortolezis befreundete junge Geigerin Margarete Schweikert.
So berichtet es Margarete Schweikerts Tochter, Christiane Voigt. Warum Schweikert gegenüber Strauss unter keinen Umständen von ihren Kompositionen berichten wollte, darüber kann man nur spekulieren: Bescheidenheit? Das Gefühl dem großen Strauss nicht das Wasser reichen zu können? Womöglich Angst, nicht ernst genommen zu werden? Nahm sie sich selbst nicht wichtig? "Da hat sie merkwürdigerweise sehr wenig Wesens draus gemacht, über ihre Kompositionen", erinnert sich die Tochter Christiane Voigt.
Eine Geige statt Aussteuer
Schweikert wächst in einer ambitionierten Laien-Musik-Familie auf: Ihr Vater gibt ihr Geigenunterricht, ihre Mutter Klavierunterricht. Später besucht sie das Konservatorium. Zu ihrem 21. Geburtstag wünscht sich und bekommt Margarete Schweikert statt einer Aussteuer eine teure Geige. Sie studiert und nimmt Kompositionsunterricht. Mit Anfang 20 gibt sie in der elterlichen Wohnung in der Karlsruher Douglasstraße Konzerte.
Margarete Schweikert ist in Karlsruhe nun schon eine feste Größe: Ihre Konzerte werden besprochen, das Karlsruher Bürgertum schickt seine Kinder in ihren Geigenunterricht und ihre Kompositionen werden bei verschiedenen Gelegenheiten aufgeführt. Kurz vor dem ersten Weltkrieg erscheinen erste Lieder im Druck.
Die Zeitläufte – die politischen wie die privaten – nehmen Einfluss auf die vielversprechende Karriere: Auf die schwierigen Jahre des ersten Weltkriegs folgen die Jahre der Wirtschaftskrise. 1923, mit 36 Jahren, heiratet Margarete Schweikert, ein knappes Jahr später wird Tochter Christiane geboren. Sie kümmert sich um ihre Tochter, komponiert ab und zu mal ein Lied und konzertiert ein wenig, weiß ihre Tochter Christiane Voigt heute zu berichten.
Konzertstopp durch das Doppelverdienerverbot der Nazis
Schweikert zieht ihre Tochter groß, kocht und backt und hilft im Juweliergeschäft der Familie aus. Als ihre Tochter selbständiger wird, sie also wieder mehr Freiraum hat, kommen die Nazis an die Macht und erlassen noch 1933 das so genannte Doppelverdienerverbot: In jeder Familie darf nun nur noch einer – natürlich meist das männliche Familienoberhaupt – Geld verdienen. Schweikert ist es damit verboten, bezahlte Konzerte zu geben, zu unterrichten oder mit Kompositionen Geld zu verdienen. "Da hat sie bitterlich geweint", erinnert sich die Tochter.
"Sie musste also eine andere Möglichkeit finden, um sich künstlerisch zu engagieren um nicht am Herd oder sonstwo zu versauern, und die einzige Chance, die man damals hatte, war einer Organisation der Partei beizutreten", sagt der Musikwissenschaftler Michael Gerhard Kaufmann, der sich intensiv mit Leben und Werk Schweikerts beschäftigt hat. Er ist überzeugt, dass Schweikert ein durch und durch unpolitischer Mensch war und in der NS-Organisation nur nach einem neuen Betätigungsfeld suchte.
Aufgreifen französischer Klänge nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Bedürfnis Musik zu machen, in welcher Form auch immer, scheint Schweikert über alle Brüche des Lebens hinweg zu tragen. Im Zweiten Weltkrieg verliert sie ihren Ehemann durch Freitod, das Geschäft und damit die wirtschaftliche Lebensgrundlage wird zerstört, ein in der Nazizeit erworbenes Haus muss an die jüdischen Besitzer zurückgegeben werden. Das Geld ist knapp. Schweikert gibt gemeinsam mit der Tochter Hauskonzerte und unterrichtet. Außerdem komponiert sie wieder. Kaufmann über ihren Kompositionsstil:
1957 stirbt Margarte Schweikert an einer Krebs-Erkrankung. Nachdem die Komponistin fast vergessen war, werden seit den 2000er Jahren nun langsam ihre Werke wiederentdeckt. Völlig zu Recht, findet Kaufmann: