Amerikanischen Jazz mit dem musikalischen Erbe Südafrikas verbinden
Kyle Shepherd ist einer der herausragenden Protagonisten der aktuellen Jazz-Szene Südafrikas. Auf besondere Weise gelingt es dem Pianisten, amerikanische Jazzvorbilder von Duke Ellington bis zu Vijay Iyer sowie Elemente aus Hip Hop und Soul mit dem musikalischen Erbe seiner Heimat zu verbinden: „Ich habe schon früh in meiner Karriere beschlossen, die Musik Südafrikas zu studieren, sie zu absorbieren. Ich fand es wichtig, mich mit der Musik meines direkten Umfelds zu beschäftigen. Erst als ich richtig vertraut mit dieser Tradition war, konnte ich daraus ausbrechen und mich anderen Stilen öffnen.“ Minstrel Carnival Music, Township Jazz, Musiker wie Abdullah Ibrahim oder Zim Ngqawana – das sind nur einige der südafrikanischen Einflüsse in der Musik von Kyle Shepherd.
Junge Jazzszene in Südafrika
Der Pianist aus Kapstadt ist gerade mal 29 Jahre alt. Nach europäischen oder amerikanischen Jazz-Maßstäben erscheint das sehr jung, in seiner Heimat fällt Shepherd damit allerdings kaum aus dem Rahmen. Nach seiner Aussage sind 60 Prozent der südafrikanischen Jazzmusiker nicht älter als 35 Jahre. Das trifft auch auf die Musiker zu, mit denen Shepherd nach Baden-Baden gereist ist: seine beiden langjährigen Triopartner, Bassist Shane Cooper und der Schlagzeuger Jonno Sweetman, und der Saxophonist Mthunzi Mvubu.
Musiker in Südafrika müssen auch Manager und Promoter sein
Es ist eine sehr dynamische Szene mit viel Bereitschaft zur Eigeninitiative, was allerdings auch der musikalischen Infrastruktur in Südafrika geschuldet ist: „Es gibt dort keine großen Plattenfirmen oder Jazz-Promoter. Musiker müssen deshalb viele dieser Aufgaben selbst in die Hand nehmen. Genauso lief es auch zu Beginn meiner Karriere: meine erste Aufnahme war komplett selbst finanziert und produziert. Ich musste mich selbst um die Organisation einer Tour kümmern, um Leute auf meine Musik aufmerksam zu machen. Ohne diese Eigeninitiative wäre in den letzten zehn Jahren nichts passiert.“
Afrikanisches Ausnahmetalent von Weltformat: Lionel Loueke
Der fünfte Musiker beim diesjährigen NEWJazz Meeting ist der aus Benin stammende Gitarrist Lionel Loueke, der nach Studienaufenthalten in Paris und Boston inzwischen in New York lebt und sich in der amerikanischen Jazz-Szene fest etabliert hat. Über seine Teilnahme ist Kyle Shepherd besonders glücklich: „Lionel ist ein Musiker wie kein anderer. Mit Worten lässt sich kaum beschreiben, wie in seiner Person verschiedenste musikalische Welten und Sounds zusammenfließen.
Sideman von Herbie Hancock, Wayne Shorter oder Terence Blanchard
Er hat in seiner Karriere so viel erreicht: er spielt regelmäßig mit Herbie Hancock, Wayne Shorter, Terence Blanchard oder Jeff Ballard – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Was ich an seinem Spiel liebe ist, dass ich alles heraus höre, was ich mag: vor allem die westafrikanische Musik mit ihrer ganz besonderen Art der melodischen und rhythmischen Phrasierung, wie sie etwa Toumani Diabate oder Ali Farka Touré aus Mali spielen. Als ich Lionel zum ersten Mal hörte, dachte ich: oh mein Gott, da kommt all das zusammen und dann auch noch mit einem ganz speziellen Jazz-Touch.“
"Diese Jungs haben das Herz am rechten Fleck"
Auch Lionel Loueke hält sich mit Lob über seine vier Mitspieler nicht zurück: „Ich bin sehr glücklich, diese Woche mit ihnen zusammen zu arbeiten. Es ist ein Austausch von Erfahrungen, wir lernen viel voneinander. Dazu kommt, dass es alles nicht nur gute Musiker sind, sondern auch feine Menschen, was mir sehr wichtig ist. Denn Musik sollte von Herzen kommen und diese Jungs haben das Herz am rechten Fleck.“
Chemie innerhalb der Band stimmt
Die ersten Probentage im SWR-Studio Baden-Baden haben gezeigt, dass die Chemie innerhalb der Band stimmt. Kyle Shepherd ist mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden und auch ein Stück weit erleichtert angesichts der Tradition, in der er sich beim NEWJazz Meeting bewegt: „Es ist die 49. Ausgabe und wenn ich an einige der Musiker denke, die in der Vergangenheit das NEWJazz Meeting kuratiert haben, fühle ich mich sehr geehrt, Teil dieser Geschichte zu sein. Ich glaube es ist uns gelungen, eine wirklich tolle Band zusammenzustellen. Jeder der Musiker hat eine eigene Stimme und bringt ganz persönliche Erfahrungen mit. Die Band ist das Ideal eines jeden Kurators: vom ersten Moment konnte ich die Musik einfach fließen lassen, bereits in den ersten Proben brachten alle ihre ganze Persönlichkeit, Musikalität und Energie ein. Was könnte ich mir mehr wünschen? Für mich ist es, als würde ich auf einer Welle reiten, ich genieße diese Erfahrung sehr.“