„Entwurf für eine mögliche Rettung des Deutschen Musiklebens: Jede/r deutsche Komponist/in zahlt einen Euro für jedes seiner/ihrer Stücke mit dem Titel „Bruchstücke“, „Fragmente“ bzw. 3 Euro für jeden Stücktitel mit 3 Punkten am Anfang oder am Ende.“ Der Komponist und Pianist Moritz Eggert reagiert mit seinem Vorschlag Anfang 2007 auf eine schon Jahrzehnte andauernde regelrechte Überschwemmung des Musikmarktes mit Fragment- Kompositionen.
Ein Fragment (zu lat. frangere = brechen) bezeichnet wie der Torso zunächst allgemein ein Bruchstück, einen übrig gebliebenen Teil des Ganzen. Dabei können die fehlenden Teile abhanden gekommen oder aber niemals hergestellt worden sein. Schuld an dieser Unvollständigkeit ist z. B. der Raubbau späterer Generationen oder auch der frühzeitige Tod des Künstlers. Schon in der Romantik erlangte das Fragment Kultstatus und wurde vor allem in der Literatur absichtlich erzeugt: als Ausdruck eines die Formen sprengenden Geistes. Auf ähnliche Weise erhielt das Unvollständige, Herausgebrochene in der Musik seit den späten 1970er Jahren besondere Bedeutung und bildet nun die (anti)formale und strukturelle Basis vieler Kompositionen. Das Fragment steht hier im Kontext der (postmodernen) Infragestellung von Werk und Autor, es ist Ausdruck der Auflösung von Formen und Zusammenhängen. Und es ist ein Gegenentwurf zur einheitlichen, geschlossenen Form, etwa im Serialismus.
Eine Fragment-Komposition entsteht z. B. durch die nachträgliche Zerstörung oder Verschleierung von Zusammenhängen, etwa durch die Vereinzelung von musikalischen Ereignissen, die durch Pausen voneinander getrennt werden. Umgekehrt kann
auch die gesamte Komposition als „Bruchstück“, „Torso“ oder „Fragment“ erscheinen, dessen übergeordneter Zusammenhang verloren gegangen oder allererst noch zu (er)finden ist. Die (Re)Konstruktion des „Großen Ganzen“ bleibt dann der Fantasie des Hörers überlassen.