Lebwohl, mein Saitenspiel – Mahler 10: Die Unvollendete
An seiner zehnten und letzten Sinfonie schrieb Gustav Mahler im Sommer 1910 im südtiroler Toblach, wo er mit seiner Familie den traditionellen Sommerurlaub verbrachte. Nachdem er die Wiener Hofoper 1907 im Streit mit der Direktion und wegen antisemitischer Hetzkampagnen gegen ihn verlassen hatte, dirigierte er nun bereits im dritten Jahr in New York. Die zweite Jahreshälfte verbrachte die Familie aber nach wie vor auf dem alten Kontinent. In diesem verhängnisvollen Sommer wurde Mahlers Welt in ihren Grundfesten erschüttert. Aus seiner Sicht begann die Katastrophe wohl an jenem Tag, als er einen "irrtümlich" an ihn adressierten Brief von Walter Gropius öffnete und damit hinter die Liebesaffäre seiner Frau mit dem deutlich jüngeren Architekten kam. Über Gustav Mahlers Gefühlsleben in dieser Ehekrise kann nur spekuliert werden. Die Skizzen zu seiner 10. Sinfonie allerdings zeugen von großer seelischer Erschütterung: "Erbarmen! O Gott! Warum hast du mich verlassen?" und auch "Leb wohl, mein Saitenspiel".
Mahler auf der Couch
Während die Arbeit an der Zehnten stagnierte, versuchte Gustav Mahler die Liebe seiner Frau zurückzugewinnen, und dabei ging er durchaus selbstkritisch mit sich ins Gericht: Endlich schaute er sich die einst von Alma komponierten Lieder genauer an und befand sie zu deren Erstaunen zumindest für so gut, dass er sie veröffentlichen wollte. Auch ein Besuch auf Sigmund Freuds Couch, dem berühmten Begründer der Psychoanalyse, ist belegt.
Krankheit und Tod
Neben der emotionalen Auseinandersetzung der Eheleute in diesem Sommer und den Vorbereitungen zur Uraufführung seiner monumentalen achten Sinfonie mag Mahler zu wenig auf seine Gesundheit geachtet haben. Und so nahm eine verschleppte Angina, verbunden mit einer bereits diagnostizierten Herzkrankheit, nur wenige Monate später einen tödlichen Verlauf.
Die zehnte Sinfonie blieb also unvollendet. Allein der erste Satz, das Adagio, war soweit fertiggestellt, dass er aufgeführt werden konnte. Und nach der Uraufführung im Jahr 1924 in Wien waren sich Publikum und Presse über die Größe des Werkes einig.