Musikstück der Woche mit dem Salagon Quartett

Wolfgang Amadeus Mozart: Streichquartett d-Moll KV 421

Stand
Autor/in
Studierende des Studiengangs „Musikvermittlung“ an der Stuttgarter Musikhochschule
Doris Blaich

Herzensköcheln: Das Musikstück der Woche vom 20.3.2017 | Zum Download

Das einzige reife Streichquartett von Mozart in einer Moll-Tonart. Und wie Moll! Klagend, trauernd, herzköchelnd und immer unter Starkstrom, auch in den leisen und langsamen Stellen. Dafür braucht man wache Musiker wie das Salagon Quartett. Unser Mitschnitt stammt aus einem Ettlinger Schlosskonzert des SWR vom 12.10.2014.

Ein Geburtswehen-Quartett?

17. Juni 1783, im Haus der Familie Mozart. Constanze Mozart hat nach stundenlangen Wehen ihren ersten Sohn geboren: Raimund Leopold. Nebenan sitzt Constanzes Mann, Wolfgang Amadeus Mozart – und komponiert: sein Streichquartett d­Moll. Zumindest erzählt es Constanze später so, und ihre Version wandert in die Mozart-Biographie von Nikolaus van Nissen, Constanzes zweiten Ehemann. Nissen schreibt: „Diese Umstände waren gewiss nicht zum Notendenken geeignet, da er nie am Claviere komponierte, sondern die Noten zuvor schrieb, vollendete und sie dann erst probirte; und dennoch belästigte ihn nichts, wenn er in dem Zimmer arbeitete, wo seine Frau lag.“ Ob Mozarts Streichquartett wirklich ein Geburtswehenquartett ist, darüber können wir heute nur rätseln.

Schmerzfaktor 100

Auf jeden Fall aber hat diese Musik einen hohen Schmerzfaktor. Das liegt zum einen an der Tonart d­Moll – in Mozarts Musik ist sie ein klingendes Symbol für Schmerz und Leid: d­Moll, das ist die Tonart der Königin der Nacht, wenn sie fühlt, wie der Hölle Rachen in ihrem Herzen kocht. Es ist die Tonart von Mozarts tragischstem Klavierkonzert, später auch die Grundtonart des Don Giovanni und des Requiems. Neben der Tonart steckt in dieser Musik noch ein weiteres Schmerzenssymbol: vier absteigende Töne, der sogenannte Lamentobass. Seit der Barockzeit ist er ein klingendes Zeichen für Kummer und Verzweiflung. Bei Mozart erscheint er gleich zu Beginn in der Cellostimme und ist dann in allen vier Sätzen präsent.

Passt auch zu Verzweiflungsszenen

Die Zeitgenossen haben den schmerzlichen Charakter dieser Musik erkannt. Jérôme­Joseph de Momigny zum Beispiel, ein französischer Musiker und Musikforscher. In seinem Lehrbuch der Komposition und Harmonielehre von 1806 unterlegt er den ersten Satz von Mozarts Quartett mit einem Text: mit dem tragischen Monolog von Königin Dido, die von ihrem Geliebten Aeneas verlassen wurde: „Ach! Wenn du mir Kummer bereitest, Undankbarer, ich will mich beklagen, dich aber nicht zum Mitleid bewegen.“

Mikro und Makro bei Mozart

In jedem Satz nutzt Mozart Elemente, oft nur winzige Partikel seiner Themen, um daraus groß angelegte Entwicklungen zu gestalten. So verschränkt er in der Durchführung des ersten Satz Einsätze der Hauptthemen auf derart dissonierende Weise, dass noch die Reprise davon eingefärbt ist. Die Mittelsätze leben von den Impulsen kurzer Auftaktmotive, einer Dreiklangsbrechung im Andante, einer punktierten Repetitionsfigur im Menuett. Und im Finale ist es ebenfalls eine unscheinbare Wiederholungsfloskel, aus der sich die fast selbstzerstörerischen Energien des Variationenschlusses speisen.

Mozarts d­Moll-Quartett ist das zweite in einem Zyklus von sechs Streichquartetten, die er im Druck veröffentlichte und seinem großen kompositorischen Vorbild Joseph Haydn widmete. Die Quartettserie ist ein künstlerisches Echo auf Haydns berühmte Streichquartette op. 33. Als das Streichquartett im Rahmen eines Hauskonzertes aufgeführt wurde, war auch Joseph Haydn zugegen. Das Urteil, das er gegenüber Mozarts Vater formuliert hat, ist berühmt: „Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, Ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack und überdies die größte Kompositionswissenschaft.“

Salagon Quartett

Salagon Quartett bei der Aufnahme
Das Salagon Quartett im Studio

Ein romanisches Kloster in der Haute Provence hat das Salagon Quartett zu seinem Namen inspiriert. 2004 haben sich in diesem Quartett erfahrene und passionierte Kammermusikerinnen und –musiker zusammengefunden. Sie alle konzertieren weltweit in den renommiertesten Kammerorchestern und Spezialensembles für Musik des 18. Jahrhunderts. Klang- und Interpretationsideal ist die durchsichtige, sprechende und farbenreiche Spielweise, die sich durch epochenadäquate Instrumente (z.B. Darmsaiten und originale Bogenmodelle) und durch die Beschäftigung mit der historisch informierten Aufführungspraxis in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Bei Carus ist in Zusammenarbeit mit dem SWR eine CD mit den Streichquartetten von Joseph Martin Kraus (1756-1792) erschienen, die große Beachtung in der Presse fand. Gerade frisch – im März 2017 – herausgekommen ist eine CD, die ebenfalls mit SWR2 entstand. Programm: Boccherinis „Stabat Mater“ (mit der Sopranistin Dorothee Mields), Mozart und Mendelssohn.

 

 

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Autor/in
Studierende des Studiengangs „Musikvermittlung“ an der Stuttgarter Musikhochschule
Doris Blaich