Niemand hätte bei ihrer Geburt gedacht, dass Prinzessin Elizabeth Alexandra Mary von York jemals Königin von England werden würde. Denn auf der Liste der Thronfolger stand sie nicht auf den vordersten Rängen. Aber dann kam alles ganz anders.
Elizabeths Onkel, König Edward VIII., hielt hartnäckig an seinem Entschluss fest, seine langjährige Geliebte zu heiraten – zur Empörung des britischen Volks und der anglikanischen Staatskirche. 1936 dankte König Edward ‚freiwillig‘ ab. Sein Bruder übernahm als George VI. die Krone.
Und da aus seiner königlichen Ehe keine Söhne hervorgingen, sondern lediglich zwei Töchter, wanderte Elizabeth, die ältere, auf Platz eins in der Thronfolge. Ihr Vater starb früh, und so wurde sie mit 25 Jahren zur Königin proklamiert. 16 Monate später fand in der Westminster Abbey die Krönung statt.
Aus diesem Anlass taten sich zehn der bedeutendsten englischen Komponisten zusammen und widmeten der jungen Königin eine Sammlung von zehn Kompositionen: „A garland for the Queen“. Die Sammlung hatte einen berühmten Vorgänger: 350 Jahre zuvor hatten 25 englische Komponisten ihrer Königin Elizabeth I. einen Musikdruck mit dem Namen „The triumphs of Oriana“ geschenkt. Wie die „Oriana“ enthält auch die „Girlande“ ausschließlich Musik für Singstimmen a cappella.
Vaughan Williams schreibt für die Queen
Bei Elizabeths Krönung war der Komponist Ralph Vaughan Williams bereits 80 Jahre alt. Die englische Musikwelt verehrte ihn als „father of British music“, er war eine nationale Institution. Gegen offizielle Ehrentitel hat er sich aber Zeit seines Lebens verweigert – auch den Ritterschlag wies er höflich, aber bestimmt, von sich. Einen Beitrag für die klingende Girlande steuerte er indessen gerne bei: „Silence and music“ heißt sein Stück.
Als Text für dieses Chorwerk vertonte er ein Gedicht der britischen Lyrikerin Ursula Wood, ein romantisches Stimmungsbild, das die belebte Stille der Natur beschreibt, aus der die Musik ersteht. Ursula Wood, vierzig Jahr jünger als Vaughan Williams, war seit vielen Jahren eine enge Freundin der Familie. Nach dem Tod von Vaughan Williams Frau Adeline wurde sie 1952, also im Jahr der Komposition von „Silence and Music“, seine zweite Frau.
Zur Musik
Vaughan Williams übersetzt den Text ganz direkt in Töne: Aus dem statischen Beginn, der Stille der Natur, erheben und verdichten sich Einzelstimmen; bis am Schluss, im vollen Aufblühen des Chorklangs, die Musik über den Text dominiert. Die Komposition schlägt in ihrer andächtigen Apotheose der Natur und Musik den Bogen zurück zu Vaughan Williams’ jungen Tagen, als Gustav Holst ihm von seinem Whitsuntide-Festival vorgeschwärmt hatte. Dort sang man den lieben langen Tag – durch die Felder streifend, bei Sonne, Wind und schwerem Gewitter: „Jetzt verstehe ich, warum die Bibel behauptet, dass der Himmel ein Ort ist – ich sollte es lieber ‚die Bedingung‘ nennen – wo man singt und immer weiter singt“.
„Silence and music“ nimmt textlich und musikalisch Bezug auf das Chorlied „The blue bird“ von Charles Villiers Stanford, Vaughan Williams‘ Lehrer. Es ist zwar für die Sammlung der Queen komponiert, aber gewidmet hat es Vaughan Williams dem Andenken an Stanford.
Text und Übersetzung
SWR Vokalensemble Stuttgart
Die Geschichte des SWR Vokalensembles Stuttgart spiegelt in einzigartiger Weise die Kompositionsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts wieder. Auf Beschluss der Alliierten und im Zuge von Demokratisierungsmaßnahmen wurden 1946 Rundfunkanstalten und Ensembles gegründet, darunter auch der damalige Südfunkchor. Ihm kam die Aufgabe zu, das Schallarchiv mit Musik aller Arten und für jegliche Anlässe zu versorgen. Mit dem Dirigenten Hermann Joseph Dahmen, der den Chor von 1951 bis 1975 leitete, begann die Zeit der allmählichen Spezialisierung auf Neue Musik. Von 1953 an vergab der Chor regelmäßig Kompositionsaufträge.
Zu internationaler Reputation als Ensemble für Neue Musik gelangte das SWR Vokalensemble mit seinen späteren Chefdirigenten Marinus Voorberg, Klaus-Martin Ziegler und mit Rupert Huber. Schon Voorberg, insbesondere aber Huber formte den typischen Klang des SWR Vokalensembles, geprägt von schlanker, gerader Stimmgebung. Viele der mehr als 200 Uraufführungen, die in der Chronik des SWR Vokalensembles verzeichnet sind, hat er dirigiert. Auf diesem Niveau konnte Marcus Creed aufbauen, als er 2003 die Position des Chefdirigenten übernahm. Dem Ensemble ging zu diesem Zeitpunkt bei Fachpresse und Publikum längst der Ruf voraus, in konstruktiver Offenheit mit den Schwierigkeiten zeitgenössischer Partituren umzugehen.
In seinen ersten Stuttgarter Jahren legte Creed, der als einer der profiliertesten Dirigenten internationaler Profichöre gilt, seine Arbeitsschwerpunkte deshalb auf das Vokalwerk von György Ligeti, Luigi Dallapiccola und Luigi Nono. Darüber hinaus setzte er die Reihe der Uraufführungen fort. Intensiviert wurde vor allem die Zusammenarbeit mit Georges Aperghis, Heinz Holliger und György Kurtág. Die Studioproduktion des SWR Vokalensembles Stuttgart erscheinen zu einem großen Teil auf CD und werden regelmäßig mit internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, der Grand Prix du Disque und der Midem Classical Award. 2009 erhielt das SWR Vokalensemble als "Ensemble des Jahres" den Echo-Klassikpreis. Die Aufnahme von Vaughan Williams' "Silence and music" ist beim Label SWR music auf CD erschienen und erhielt höchstes Kritikerlob.