Freude, Gemeinschaft und Freiheit – diese drei Themen schwingen immer mit, wenn Beethovens Vertonung der Ode „An die Freude“ von Schiller erklingt. Die Neunte Sinfonie, aus dessen Finale sie stammt, ist unser SWR2-Musikstück der Woche zum Tag der Deutschen Einheit.
Beethoven für Alle
„O Freunde, nicht diese Töne!“ Fast klingt es so, als wolle der Tenor im Finale von Beethovens Neunter Sinfonie die ganze Aufführung abbrechen. Doch er setzt nach: „Lasset uns angenehmere Töne anstimmen, freudenvollere“. Und so geschieht es: Die Musik wendet sich von Moll nach Dur und es erklingt eine der wohl berühmtesten Melodien überhaupt: „Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“. Ein Lobgesang auf Freude, die Gemeinschaft und gemeinsame Verbundenheit.
Die Textgrundlage, Friedrich Schillers Gedicht „An die Freude“, entstand bereits 1785. Angetan von dem pathetischen Inhalt beschäftigte sich Beethoven schon früh mit einer Vertonung. Bis das geschah, vergingen noch einmal knapp vierzig Jahre. Nach einer intensiven Phase der Ausarbeitung über mehrere Jahre wurde das Werk schließlich am 7. Mai 1824 im Wiener Kärntnertortheater uraufgeführt.
Symphonik, Gesang und Schillers Worte - die Vereinigung von „Kunst und Wahrheit"
Beim Publikum sorgte es für viel Begeisterung: „Kunst und Wahrheit feiern hier ihren glänzendsten Thriumph“, heißt es etwa in einer zeitgenössischen Rezension. Dabei ist die Sinfonie ein Werk von beachtlichen Ausmaßen, man muss sich ihr als Zuhörer ganz und gar „widmen“; allein die Dauer beträgt heute in der Regel mindestens 75 Minuten.
Die bis heute als wesentlich betrachtete Idee, Singstimmen in ein an für sich instrumentales Werk zu integrieren, war aber überhaupt nicht neu. Denn ähnlich experimentierfreudig hatte Beethoven schon bei seiner „Chorfantasie“ aus dem Jahr 1808 ein Soloklavier, Chor und Orchester kombiniert. Trotzdem hatte die Neunte Sinfonie eine weitaus größere Wirkung.
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„Götterfunken“ für Generationen nach Beethoven
Die Neunte Sinfonie hat die Musikgeschichte so geprägt wie wohl kaum ein anderes sinfonisches Werk, und viele Künstlerinnen und Künstler haben aus ihr teils gewaltige Inspiration für den eigenen künstlerischen Weg gezogen. Allen voran war es im 19. Jahrhundert der Komponist Richard Wagner, der – angeregt von Felix Mendelssohn Bartholdys Leipziger Aufführungen der Neunten – in Beethovens Werk eine Art geniales Wunder sah: Sie sei die „Erlösung der Musik zur allgemeinsamen Kunst“.
Das Prinzip, die künstlerischen Gattungen zu vereinen, weitete Wagner dann in seiner eigenen Ästhetik eines „Gesamtkunstwerks“ wesentlich aus. Ein ganz anderes Beispiel aus der Moderne ist die japanische Tradition, jedes Jahr im Dezember ein Massenspektakel zur Aufführung der „Daiku“, der „Großen Neunten“ zu veranstalten. Unzählige Musiker, Laien wie Profis, werden von Beethovens Musik beflügelt.
Beethoven, politisch gehört
Nicht nur künstlerisch, auch politisch gibt es kaum ein Werk Beethovens, das so oft genutzt wurde und wird. Dabei steht allerdings weniger die Sinfonie an sich, als vielmehr ihre berühmte Melodie aus dem Finale im Fokus.
Seit 1956 ist die Ode „An die Freude“ Bestandteil des Programms der Olympischen Spiele. Sie ist ebenso die offizielle Hymne der Europäischen Union, nach der Erklärung des Europarats im Jahr 1972 und der offiziellen Annahme durch die Staats- und Regierungschefs im Jahr 1985.
Die Neunte und die Deutsche Einheit
Zu Weihnachten 1989, wenige Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer, wurde die Neunte Sinfonie sowohl in der Philharmonie in Westberlin (23.12.) als auch im Schauspielhaus im Osten der Stadt (25.12.) mit einem international besetzten Orchester aufgeführt. In der Ode „An die Freude“ ließ der Dirigent Leonard Bernstein „Freiheit“ statt „Freude“ singen. Ein umjubeltes Event, das dazu geführt hat, dass Beethovens Neunte bis heute mit dem Gedanken an die Deutsche Einheit verbunden ist.