„Seiner Sache ganz gewachsen“ war Beethoven, als er mit Klaviertrios das Wiener Musikleben eroberte: Im „Geistertrio“ mit fahlen, ausgefeilten Klängen.
„… in rastlosem Fluge die wunderbarsten Bilder…“
„So wie der Principalist seiner Sache ganz gewachsen seyn muß, verlangen die beyden Adjutanten gleichfalls ihren Mann; wenn hingegen jeder Alles, was ihm der Genius des unerschöpflichen Tonsetzers, der stets den eigenen Pfad einschlägt, und nie altert, nie sich selbst abconterfeyt, zumuthet, vollkommen gut herausbringt und bezwingt, dann mögen die Tripel-Alliirten sich gegenseitig Glück wünschen…“, schreibt der Allgemeine Musikalische Anzeiger zu Beethovens Variationen für Klaviertrio op. 121a, im Jahre 1830 in Wien.
Und „seiner Sache ganz gewachsen“ muss auch sein, wer sich als Komponist*in der ebenso kompakten wie klanglich hochempfindlichen Gattung des Klaviertrios widmet.
Das wusste auch Ludwig van Beethoven. Der traute sich erst nach zahlreichen unveröffentlicht gebliebenen Versuchen als Komponist an die Öffentlichkeit – dann aber, seiner Sache gewiss, gleich mit drei Klaviertrios, dem op. 1.
Neuland für den Komponisten
Und wie schon Joseph Haydn mit seinem op. 1 – Streichquartetten – sofort Neuland betrat, so auch jetzt sein 25-jähriger Schüler: Klaviertrios sollten nicht länger mehr verkappte Sonaten für Violine und Klavier sein, wo das Violoncello zumeist an den Bass des Klaviers gekoppelt war. Nein, was Beethoven zum neuen Klaviertrio-Gesetz ausrief, war die Selbstständigkeit des Cellos und damit die Gleichrangigkeit aller drei Stimmen!
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Ihn, den Bratscher und brillanten Pianisten, sollte die Gattung nicht mehr loslassen. Schon drei Jahre nach op. 1 erscheint das Klaviertrio op. 11 (1798), dann – im direkten Umfeld der Pastoralsinfonie – die beiden Klaviertrios op. 70 (1808). Das Trio op. 70 Nr. 1 trägt den Beinamen „Geistertrio“.
Schaurig und geheimnisvoll
Doch ist es überraschenderweise gar nicht einmal das dem 2. Satz so gern zugeschriebene „Geisterhafte“, für das einer der ersten Bewunderer dieses Werks geschwärmt hat: der Dichter E. T. A. Hoffmann. Seine enthusiastischen Worte in der Allgemeinen musikalischen Zeitung von 1813 galten vielmehr dem Romantischen an sich, das sich in diesem Werk aufs Schönste offenbare:
„Ein einfaches, aber fruchtbares, zu den verschiedensten contrapunktischen Wendungen, Abkürzungen etc. taugliches Thema liegt jedem Satze zum Grunde, alle übrigen Nebenthemen und Figuren sind dem Hauptgedanken innig verwandt, so dass sich alles zur höchsten Einheit durch alle Instrumente verschlingt und ordnet. So ist die Structur des Ganzen; aber in diesem künstlichen Bau wechseln in rastlosem Fluge die wunderbarsten Bilder, in denen Freude und Schmerz, Wehmuth und Wonne neben- und ineinander hervortreten.“
Dennoch: Der 2. Satz mit seinen d-Moll-Abgründen und seiner unendlichen Dehnung der Zeit zählt – zumal nach dem strahlenden, mitreißenden D-Dur-Überschwang des 1. Satzes – zu den wenn nicht schaurigsten, so doch geheimnisvollsten Sätzen in Beethovens Œuvre.
Das dürfte gewiss auch an dem leise deklamierenden, doch von Unnennbarem kündendem Hauptmotiv des Satzes liegen, noch mehr aber an den ausgefeilten Klangfarben, die Beethoven den Instrumenten entlockt: Fahle Streicherklänge korrespondieren hier mit sinistren Tremolo- und Triller-Effekten im Klavier.
Acht Jahre später wird es in Franz Schuberts Lied „Der Wanderer“ heißen: „Und immer fragt der Seufzer, wo? Im Geisterhauch tönt's mir zurück: ‚Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück…‘“