Mit der Komposition seiner Streichquartette etablierte Joseph Haydn diese Gattung fest im Olymp der klassischen Musik. Im sechsten und letzten der sogenannten „Erdödy-Quartette“ ging er zusätzlich ganz besondere Experimente ein.
Unser SWR2 Musikstück der Woche interpretiert das Chiaroscuro Quartett. Der Mitschnitt entstand im Dezember 2018 auf Schloss Waldthausen in Budenheim.
Allein schon der Kontrast von Es-Dur im Kopfsatz zum H-Dur-Anfang dieses Satzes lässt im Konzert unweigerlich aufhorchen. Dann führt Haydn das wiegende Thema bis in entfernteste Tonarten. Als verbindende Elemente dienen vereinzelte Linien. Sie sind Tonleitern ähnlich und bergen doch einen gewissen „harmonischen Sprengstoff“ in sich. In den letzten Takten gerät der Satz, nur langsam und kreisend zu einem Ende findend, gar an die Grenzen der Tonalität.
„Verrückte“ Melodie
Spätestens jetzt dürfte klar sein: Die Form des Streichquartetts ist hier nur die Hülle für ein sehr gewagtes musikalisches Experimentieren. Musik über Musik, sozusagen. Das zeigt sich auch im Menuetto, an seinen weiten Sprüngen und gewitzten rhythmischen Verschiebungen, besonders aber im mit „Alternativo“ überschriebenen Abschnitt. Der beruht auf nichts anderem als einer absteigenden Es-Dur-Tonleiter, die sich, buchstäblich „verrückt“, selbst begleitet.
Das Finale dann ist auffällig kurz und prägnant. Wieder steht die Tonleiter im Vordergrund, in diesem Fall in spitzen Staccato-Achtelnoten, zumal der ersten Geige. Sie werden vom Rest des Quartetts mit Akzenten unterfüttert, die nicht immer zur erwartbaren Zeit erklingen. Wieder ist es ein Spiel mit Melodik, Rhythmus und Harmonien.
Könnte es also einen weiteren, aussagekräftigen Namen auch für dieses Werk geben? „Fantasiequartett“ hätte vermutlich ganz gute Chancen …
CD-Tipp Das Chiaroscuro Quartet setzt Haydns Streichquartette in neues Licht
Von seiner besten Seite präsentiert sich das in London beheimatete Chiaroscuro Quartet mit einer Neueinspielung von Joseph Haydns Streichquartetten op. 76 Nr. 1-3. Das Ensemble, das sich der historischen Aufführungspraxis verpflichtet fühlt, lässt es im Forte richtig krachen und hat ein Piano, als spielte es auf einem einzigen Bogenhaar. Es artikuliert so anmutig, filigran und virtuos, dass man den Bogen regelrecht tanzen sieht und hat einen Klang, so leuchtend, licht und klar, dass sich ihn SWR2-Musikredakteurin Dorothea Bossert schöner kaum vorstellen kann.
Podcast mit freien Musiker*innen Das Gottesauer Ensemble mit Kammermusik von Haydn
Das Repertoire für Oboenquartett „lässt zu wünschen übrig“ findet Oboist Georg Siebert aus Karlsruhe. Groß war also seine Freude, als er auf diese besondere Bearbeitung eines Haydn-Streichquartetts aus dem 18. Jahrhundert gestoßen ist: Ein Hofmusiker des Fürsten von Fürstenberg arrangierte es damals für Oboe und Streichtrio.