Norwegische Tänze im Schottenrock? Warum nicht? In Schottland, der Heimat von Garry Walker, Chefdirigent des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie, sind Griegs Norwegische Tänze sehr beliebt. Denn sie ähneln den schottischen Volkstänzen, auch wenn diese vielleicht „etwas dunkler“ sind als die norwegischen, so Walker.
Erstmal in die Fremde
Edvard Grieg ist blutjung, 15 Jahre alt, als er Norwegen verlässt, um in Leipzig zu studieren. Das Konservatorium ist damals das Mekka für Talente aus ganz Europa. Grieg saugt die musikalischen Strömungen in sich auf, merkt aber bald, dass das nicht alles ist, was er will.
Bei seiner Rückkehr nach Norwegen sagt er: „Ich war voll gestopft mit Chopin, Schumann, Mendelssohn und Wagner und brauchte schöpferische Freiheit. Ich musste eine persönlichere Luft atmen.“ Das wird er tun, vor allem aber hört er Ole Bull Geige spielen.
Die Hardangerfiedel, die Seele der norwegischen Volksmusik
Es ist eine Art Initiation: Der norwegische Geigen-Super-Star Ole Bull, der mit Edvard Grieg 1864 durch Westnorwegen wandert, spielt ihm eines Tages auf seiner Hardangerfiedel vor, einer Bauernfiedel mit zusätzlichen Resonanzsaiten, die darum gut alleine gespielt werden kann, und bei deren Klang man sofort die sanften Gestade der Fjorde und die rauen norwegischen Hochebenen vor Augen hat:
„Ole Bull spielte für mich die zauberhaften norwegischen Melodien, die in mir den Wunsch wachriefen, sie als Basis meiner eigenen Melodien zu verwenden“.
Mit Nina am Klavier
Gesagt, getan. Edvard Grieg stößt auf die alten Volksmelodien, die der Musiker und Forscher Ludvig Mathias Lindemann in zwölf Bänden gesammelt hat, und bearbeitet einige davon 1880 für Klavier vierhändig.
Kaum gedruckt, werden sie ein Verkaufsschlager und verschaffen der norwegischen Volksmusik über Nacht in ganz Europa Gehör. Passionierte Hausmusiker reißen sich um die Noten und auch auf dem Klavierpult von Grieg und seiner Frau Nina liegen die norwegischen Tänze mit Vorliebe!
Wo bleibt das Orchester?
Längst hatten zur gleichen Zeit Dvorák von seinen Slawischen Tänzen und Brahms von den Ungarischen Bearbeitungen für Orchester angefertigt. Nur Grieg wagt sich damals nicht an eine Orchestrierung, Orchestermusik - das war das Terrain seines Freundes Johan Svendsen!
Die Orchesterfassung seiner Norwegischen Tänze besorgt deshalb Robert Henriques – sehr zu Griegs Zufriedenheit. Aber in welcher Form auch immer: Griegs Norwegische Tänze sind Stücke im authentischen Volkston und machen – wie hat es Garry Walker gesagt? – „großen Spaß“!
Garry Walker und das Staatsorchester Rheinische Philharmonie
Garry Walker ist seit der Spielzeit 2017/18 Chefdirigent des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie, wird das Amt aber mit der Spielzeit 2021/22 abgeben, seit 2020 ist er Musikdirektor der Opera North in Leeds.
Walker ist Schotte, stammt aus Edinburgh, hat Cello und Dirigieren studiert. Und er ist ein leidenschaftlicher Bergsteiger, gerne im schottischen Hochland unterwegs, aber auch auf den Wanderwegen und Klettersteigen von Rhein und Mosel, wo er die letzten Jahre musikalisch gewirkt hat.
Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie mit Sitz in Koblenz ist eines der drei Sinfonieorchester des Landes Rheinland-Pfalz. Die Wurzeln des SRP reichen zurück bis ins Jahr 1654.