Musikstück der Woche

Antje Weithaas und Boris Kusnezow spielen César Franck: Sonate für Violine und Klavier A-Dur

Stand
Autor/in
Marcus Caratelli

Ein beziehungsreicher Aufbau sowie der erfrischende Umgang mit historischen Formen zeichnet das Musikstück dieser Woche aus.

Musik für den schönsten Tag im Leben

Als der Geiger Eugène Ysaÿe 1886 heiratete, erhielt er von César Franck ein ganz besonderes Hochzeitsgeschenk: Die Violinsonate in A-Dur. Franck hatte bereits früher schon einmal versucht, eine Violinsonate zu schreiben, es blieb aber beim Versuch.

Vermutlich hatte er die Skizzen später wieder aufgegriffen und vollendet. Ysaÿe war so angetan von seinem Geschenk, dass er noch am selben Tag das Werk vom Blatt einstudierte und privat aufführte.

Start im Dunkeln

Noch im selben Jahr fand die Uraufführung im Musée Moderne de Peinture in Brüssel statt. Die Sonate war der letzte Programmpunkt eines langen Konzerts, und die Dämmerung verdunkelte das Auditorium bereits. Eugène Ysaÿe brach jedoch nicht ab, sondern spielte die komplette Sonate mit seinem Begleiter in kompletter Dunkelheit.

Die ungewöhnlichen Eindrücke dieses bemerkenswerten Abends schilderte César Francks Schüler Vincent d’Indy später. Ysaÿe habe den ersten Satz viel schneller gespielt als vom Komponisten intendiert war.

Noch heute beliebte Sonate

Und trotzdem: Franck war von Ysaÿes Änderung sofort überzeugt. Die Aufführung wurde zum großen Erfolg, Ysaÿe führte die Sonate noch weitere 40 Jahre als festen Bestandteil seines Repertoires auf. Auch eine von Franck autorisierte Bearbeitung für Violoncello und Klavier behauptet sich bis heute in den Konzertprogrammen und erfreut sich großer Beliebtheit.

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Etwas Neues wagen

Was die Violinsonate so besonders macht, ist ihr beziehungsreicher Aufbau sowie der erfrischende Umgang mit historischen Formen. Francks Schüler, der Komponist Vincent d’Indy, konstatierte, sie sei „[…] das erste und reinste Model einer Sonatenform mit zyklischen Themen.“ Die idee cyclique besteht darin, durch eine wiederholende Struktur der Themen eine Verbindung durch alle Sätze hinweg zu schaffen, wie ein roter Faden also, der sich durch das Werk zieht.

Eine Idee, die auf Francks Freund Franz Liszt zurückgeht. Nachdem Gabriel Fauré 15 Jahre vor Franck bereits einen Meilenstein der französischen Violinsonaten-Literatur geschaffen hatte, führt Franck diesen Weg in seiner Sonate mit reicher Harmonik und großem Bogen nun weiter.

Das eröffnende Allegretto ben moderato mit seiner wechselhaften Heiterkeit steht im starken Kontrast zum folgenden Allegro, das gespenstisch romantisch daherkommt. Die Wirkung im von Dämmerung verdunkelten Saal am Abend der Uraufführung muss beeindruckend gewesen sein.

Der Erneuerer Franck, auch ein Meister der Orgel, beweist im dritten Satz, wie spielerisch er mit bekannten Formmodellen umgeht: Das Recitativo kommt fast improvisiert daher.

Der letzte Satz, ein kanonisch gearbeitetes Rondo, stößt die Tür zu den großen Meistern der Vergangenheit wieder auf. In schimmernden Farben reflektiert Franck gekonnt das reichhaltige musikalische Erbe. Ein Streben nach harmonischer Perfektion wie in der von ihm verehrten Bachschen Instrumentalmusik und eine nicht geringe Portion italienischer Meister des 18. Jahrhunderts scheinen durch. Das alles gelingt ihm mit großer Sensibilität und Verve.

Antje Weithaas ist Allrounderin auf der Geige: Sie spielt als Solistin, unterrichtet als Professorin, leitet Orchester als Konzertmeisterin und macht leidenschaftlich Kammermusik. Diese Woche ist sie redend zu Gast in SWR2 Zeitgenossen und spielend in unserem Musikstück der Woche.

Zeitgenossen Die Geigerin Antje Weithaas: „Einer muss den Hut aufhaben beim Musikmachen“

Antje Weithaas interessiert sich für „alles, was man mit der Geige machen kann”. In SWR2 Zeitgenossen erzählt sie über ihre Kindheit und Jugend in der DDR und natürlich über ihr wichtigstes Ausdrucksmittel, die Insel und den Ankerpunkt in ihrem Leben: ihre Geige.

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