Musikstück der Woche

Das Eliot Quartett spielt Joseph Haydn: Streichquartett D-Dur op. 71 Nr. 2

Stand
Autor/in
Felix Werthschulte

Ein Prüfstein für die Qualität eines jeden Streichquartetts ist die Musik von Joseph Haydn. In ihrer Brillanz und Virtuosität sind dessen Streichquartette op. 71 eher orchestrale Tänzchen als Kammermusik. In einer mitziehenden Fassung spielt das Eliot Quartett dieses späte Meisterwerk Haydns.

Dürfen wir bitten?

Woran lässt sich erkennen, dass Joseph Haydn im Jahr 1793 mit seinen Streichquartetten op. 71 einen innovativen Schritt in der Gattungsgeschichte setzte? Zuerst daran, dass er in die kleinen, feinen Werke für vier Streicher mit einer Einleitung einführte. Ein solches Entree war zu dieser Zeit noch keineswegs üblich, eher waren Streichquartette intime „Kammermusik“ im besten Sinne.

Brodeln, Weben, Brillieren

Eine solche Einführung dagegen, wie man sie wenige, fürstlich getragene Takte lang am Anfang des Kopfsatzes hört, galt als etwas für die „große“ Musik: für Symphonien oder Opern. Doch dass Haydn sich spätestens mit den drei Quartetten op. 71 ganz von allem Kleinen und Kleinlichen entfernt, ist auch dem Werk als Ganzem anzuhören.

Hier brodelt, webt und brilliert es allerorten, stehen gemeinsam ergründete Flächigkeit und virtuoses Zurschaustellen wie in einem anspruchsvollen Orchestersatz nebeneinander. Glaubt man Haydn-Forschern, soll der Komponist sogar an eine derartige Ausarbeitung gedacht haben. Aber schließlich beließ er die Quartette, die er im Druck dem Grafen Anton Georg Apponyi widmete, doch in der üblichen Besetzung.

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Mit feinem Strich

Neben dem orchestralen Sound ist noch etwas anderes bemerkenswert in diesem Haydn-Quartett: Der Komponist schafft unheimlich starke Charaktere. Und das gelingt durch präzise, messerscharfe Einfälle. Beispiel: Die gar nicht so leicht zu intonierenden Oktavsprünge hat er wie gekonnte Federstriche über die gesamte Partitur des Kopfsatzes verteilt. Ähnlich belebend und markant wirken auch die abwärts gerichteten, verzierenden Akkordbrechungen im dritten Satz. Der heißt zwar offiziell noch „Menuetto“, man spürt hier aber deutlich den wirbelnden Walzertakt einer aufkommenden Zeit.

Achtung, Falle!

Das geistige Zentrum des Quartetts bildet – wie so oft in klassischen Werken – der langsame Satz. „Cantabile“, also gesanglich will Haydn diese Musik gespielt haben. Aus Dreiklängen, mal aufwärts, mal abwärts gerichtet, punktierten Rhythmen und schlichten Tonleitern entsteht eine große, flächige Szene. Man sollte sich beim Hören nicht zu sehr täuschen lassen, denn das sehnsuchtsvolle, hoch romantische Potenzial ist immens: spätestens dann, wenn die Musik nahezu unvermittelt um zwei Tonstufen abwärts „kippt“, wird wohl so ziemlich jeder Hörer von dieser Musik gefangen.

Eine weitere Dimension entwickelt sich im kurzen Finalsatz (Allegretto – Vivace): Die gesangliche und die tänzerische Ebene vermischen sich zu einem munteren, musikantischen Ganzen. Ein charmanter, humorvoller Ausklang, der von einer flirrenden, in einer gemeinsam musizierten Tonleiter gipfelnden Coda standesgemäß abgeschlossen wird.

Autor: Felix Werthschulte

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Felix Werthschulte