"Ich gehe alle Sonntage um 12 uhr zum Baron von Suiten – und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach", schreibt Mozart in einem Brief im April 1782. Baron Gottfried van Swieten ist Diplomat, Musikfreund und einer von Mozarts wichtigsten Förderern. Er besitzt eine große Notenbibliothek mit Werken von Bach und Händel. Mozart darf bei ihm diese Partituren ausleihen, er studiert sie ausgiebig und eignet sich selbst die Musiksprache und die polyphonen Techniken des Barock an. Die Begegnung mit dieser Musik ist für Mozart eine große künstlerische Herausforderung – und sie löst die vielleicht größte Schaffenskrise seines Lebens aus. Aus keiner anderen Zeit haben wir von Mozarts Hand so viele Entwürfe, Fragmente, Verworfenes und zur Seite Gelegtes.
Stärker als der Zweifel
Eine der Kompositionen, die sich gegen Mozarts Zweifel durchsetzt, ist die Fuge für zwei Klaviere in c-Moll KV 426. Sie stammt aus dem Jahr 1783. Fünf Jahre später hat Mozart sie für Streicher bearbeitet und ihr eine gewichtige Adagio-Einleitung vorangestellt, die mit ihren majestätischen Punktierungen an eine französische Opernouvertüre erinnert. (Das Satzpaar Adagio und Fuge trägt im Köchel-Verzeichnis die Nr. 546).
In der Fuge kostet Mozart alle Techniken aus, die er in der Musik von Bach und Händel in so vollendeter Form vorfindet. Das Thema bewegt sich in harmonisch langsamem Tempo und eignet sich deshalb besonders gut für Spiegelungen und Umkehrungen aller Art. Mozart lotst es durch verschiedene Tonarten, stellt es auf den Kopf und zaubert damit die kühnsten Engführungen – zum Teil folgen die Einsätze im Abstand eines halben Taktes! An einer Stelle treten Original und Umkehrung gleichzeitig auf; man wünscht sich beim Hören gelegentlich mehr als zwei Ohren (wenn Sie in Ruhe nachlesen wollen, was Sie hören: Der Link zu den Noten befindet sich rechts auf unserer Seite). Mozart weiß, dass es in der Musik erlaubt ist, mit Pfunden zu wuchern, die man eigentlich gar nicht besitzt: manche Themeneinsätze entpuppen sich nämlich nur als Schein-Einsätze – der prägnanten Themenbeginn mit seinen Sechzehntel-Läufen wirkt streng regelgerecht, büxt dann aber mit seinen (Sehnsucht atmenden!) Seufzerfiguren in die Freiheit aus. Geschickt balanciert Mozart auf dem schmalen Pfad, der sich auftut zwischen Regelwerk und Abweichung – all das eingefärbt in das dramatische Pathos, das der Tonart c-Moll anhaftet. Übrigens hat sich Beethoven diese Fuge zu Studienzwecken abgeschrieben.
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Das 1946 gegründete SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg identifiziert sich bis heute mit den Idealen seiner "Gründerväter", die der festen Überzeugung waren, dass die engagierte Förderung der neuen Musik ebenso wichtiger Bestandteil des Rundfunk-Kulturauftrags ist wie der Umgang mit der großen Tradition.
In diesem Sinne haben die Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen gearbeitet und einen Klangkörper kultiviert, der für seine schnelle Auffassungsgabe beim Entziffern neuer, "unspielbarer" Partituren ebenso gerühmt wird wie für exemplarische Aufführungen und Einspielungen des traditionellen Repertoires eines großen Sinfonieorchesters. An die 400 Kompositionen hat das Orchester bisher uraufgeführt und damit Musikgeschichte geschrieben; es gastiert regelmäßig in den (Musik)-Hauptstädten zwischen Wien und Amsterdam, Berlin und Rom, Salzburg und Luzern. Von 1999 bis 2011 hat Chefdirigent Sylvain Cambreling das Orchester entscheidend geprägt. Seit September 2011 steht Francois-Xavier Roth an der Spitze.