Eiliges
"Ich muß die Nacht dazu nehmen, anderst kann es nicht gehen … und ich werde so viel möglich geschwind arbeiten – und so viel es die Eile zulässt – gut schreiben." Den Zeitdruck kennt man ja bei Mozart, die Nachtschichten auch, aber diesmal ist es doch extrem: Er arbeitet gerade an einer Harmoniemusikfassung – einer Bearbeitung für Bläserensemble – seiner "Entführung aus dem Serail", die er möglichst bald auf den Markt bringen will. Da kommt ihm der Auftrag, eine Festserenade für den Salzburger Bürgermeistersohn Sigmund Haffner zu schreiben, gänzlich ungelegen. Sigmund Haffner wird Ende Juli 1782 in den Adelsstand erhoben, das möchten die steinreichen Haffners natürlich mit einer standesgemäßen Musik feiern. Mozarts Vater Leopold drängt, den Auftrag anzunehmen – und Mozart gibt nach. Am 20. Juli sagt er zu, und von da an schickt er an jedem Posttag (damals geht die Post noch nicht täglich) die Partitur eines neuen Satzes von Wien, wo er mittlerweile wohnt, nach Salzburg. Sechs Sätze sind es insgesamt, der letzte wird am 7. August eingetütet. Zwischendurch (am 4. August) heiratet Mozart noch schnell Constanze Weber im Wiener Stephansdom.
Alles vergessen
Der Rückweg der Noten geht dann wesentlich gemächlicher: Mozart braucht sie im Jahr darauf für eine Akademie in Wien, ein großes Konzert mit eigenen Werken. Er bittet seinen Vater, ihm die Noten zurückzuschicken; es dauert Wochen, bis sie eintrudeln. Mozarts Verwunderung ist groß, als er die Partitur aufschlägt: "Die Neue Hafner Sinfonie hat mich ganz surpreniert [überrascht] – dann ich wusste kein Wort mehr davon; die muß gewis guten Effect machen!", schreibt er seinem Vater. Dass Mozart die Musik offenbar völlig vergessen hat, ist bei seinem phänomenalen musikalischen Gedächtnis tatsächlich verwunderlich.
Von der Serenade zur Sinfonie
Mit dem "guten Effect" hat Mozart natürlich recht. In Wien kommt das Stück hervorragend an; auch Kaiser Joseph II. klatscht begeistert Beifall. Diesmal musste Mozart keine Nachtschichten einlegen: Er hat die sechs Sätze der Haffner-Serenade einfach auf vier zusammengekürzt und die ursprüngliche Instrumentierung um Flöten und Klarinetten erweitert: fertig war die Sinfonie!
Sie gilt heute als eine der bedeutendsten reifen Mozart-Sinfonien. Insbesondere im ersten Satz kann man den künstlerischen Austausch zwischen Mozart und Haydn erkennen: Hier konzentriert sich die Musik ganz auf ein rhythmisch prägnant punktiertes Thema, das klanglich, harmonisch und kontrapunktisch in unzähligen Verwandlungen erscheint. Für Mozart, bei dem die Ideen sonst nur so sprudeln, ist diese Beschränkung auf so wenig Material eine Besonderheit – und gerade solche monothematischen Sinfoniesätze sind eigentlich eine Spezialität von Joseph Haydn.
Dass Mozart im Finale ein Zitat aus seiner "Entführung" einbaut, liegt nahe, denn die Oper beschäftigt ihn ja ausgiebig zur Zeit der Komposition. Nun ist es allerdings ausgerechnet die Arie des Osmin mit dem schaurigen Text "O, wie will ich triumphieren, wenn sie euch zum Richtplatz führen und die Hälse schnüren zu" – eigentlich ein Affront gegenüber der Familie Haffner und ihren Adelsangelegenheiten! Gemerkt hat’s damals keiner – Mozart ist mit seinem schrägen Humor ungeschoren davongekommen.
Achtung, Verwechslungsgefahr!
Die Haffner-Sinfonie ist zwar aus einer Haffner-Serenade hervorgegangen, aber nicht aus "der" Haffner-Serenade, die wir heute als KV 250 kennen. Die hat Mozart schon sechs Jahre zuvor geschrienen, ebenfalls für die Familie Haffner, anlässlich der Heirat der Tochter des Hauses. Die spätere Haffner-Serenade, die er für Sigmund Haffner schrieb, ist in ihrer ursprünglichen Gestalt verschollen. Von den sechs Sätzen sind nur noch vier erhalten, und die sind heute unter dem Namen "Haffner-Sinfonie" bekannt. Die "Haffner-Sinfonie" ist eine der wenigen Sinfonien Mozarts, die zu seinen Lebzeiten gedruckt wurde: 1785 erschien sie beim Verlag Artaria in Wien.
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Das 1946 gegründete SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg identifiziert sich bis heute mit den Idealen seiner "Gründerväter", die der festen Überzeugung waren, dass die engagierte Förderung der neuen Musik ebenso wichtiger Bestandteil des Rundfunk-Kulturauftrags ist wie der Umgang mit der großen Tradition.
In diesem Sinne haben die Chefdirigenten von Hans Rosbaud über Ernest Bour bis zu Michael Gielen gearbeitet und einen Klangkörper kultiviert, der für seine schnelle Auffassungsgabe beim Entziffern neuer, "unspielbarer" Partituren ebenso gerühmt wird wie für exemplarische Aufführungen und Einspielungen des traditionellen Repertoires eines großen Sinfonieorchesters. An die 400 Kompositionen hat das Orchester bisher uraufgeführt und damit Musikgeschichte geschrieben; es gastiert regelmäßig in den (Musik)-Hauptstädten zwischen Wien und Amsterdam, Berlin und Rom, Salzburg und Luzern. Von 1999 bis 2011 hat Chefdirigent Sylvain Cambreling das Orchester entscheidend geprägt. Seit September 2011 steht Francois-Xavier Roth an der Spitze.