Schachmatt am Telefon
Nikolaj Mjaskowskij und Sergej Prokofjew verband eine gemeinsame Studienzeit am Konservatorium in St. Petersburg. Und sie verband eine echte Freundschaft, die ein ganzes Leben halten und viele politische Veränderungen wie auch künstlerische Krisen überdauern sollte. Legendär sind zudem die Schachpartien, die Mjaskowsikij und Prokofjew am Telefon austrugen.
Mjaskowsikij war bereits fünfundzwanzig und hatte eine Offiziersausbildung hinter sich, als er 1906 in die Kompositionsklasse von Anatolij Ljadow kam, in der schon Prokofjew studierte. Denn Mjaskowsikij wollte gegen den Willen seines Vaters unbedingt Komponist werden. Bereits während seiner Zeit an der Sankt Petersburger Akademie für militärisches Ingenieurwesen hatte er bei Reinhold Glière Privatstunden genommen; am Konservatorium wurde er zudem später Schüler von Nikolaj Rimski-Korsakow. Allein die Namen seiner Lehrer geben einen Hinweis darauf, aus welcher Tradition Mjaskowsikjs Tonsprache und Kompositionsstil kommt.
Mjaskowsikij reichte seinen Abschied bei der Armee ein und schrieb nach seinem Kompositionsstudium Artikel für eine Musikzeitschrift. In dieser Zeit, im Februar 1912, komponierte er auch seine zweite Klaviersonate fis-moll op. 13. Sie wurde sein populärste Klavierwerk. Erst 1916 wurde diese einsätzige Sonate in Petrograd uraufgeführt. In einer langsamen Einleitung (Lento, ma deciso) suchte Mjaskowskij ganz in der Tradition von Alexander Skrjabin lakonische Formulierungen, scharfe Dissonanzen und schroffe Kontraste. Es folgt ein Allegro affanato, das von durchgängigen Achteltriolen der linken Hand geprägt ist, über die sich eine klassische motivisch-thematische Entwicklung vollzieht. In der Durchführung dominiert ein "Dies-irae"-Zitat der lateinischen Totenmesse; in verschiedenen Gestalten und motivischen Kombinationen wird diese Melodie bis zur Reprise gesteigert, und eine Coda hebt schließlich als strenges Fugato an, greift das "Dies Irae"-Motiv auf und endet als wuchtiges "Allegro disperato" in dreifachem Forte.
Im Unterschied zu Prokofjew, der nie unterrichtete, war Mjaskowskij ähnlich wie Dmitrij Schostakowitsch ein großer Lehrer und Förderer zweiten Generation sowjetischer Komponisten und unterrichtete ab 1921 bis zu seinem Tod 1950 am Moskauer Konservatorium. Nicht nur in den kritischen Berichten des Zentralkomitees der KpdSU war Mjaskowskij somit einer der meist beachteten Komponisten der ersten Jahrzehnte der Sowjetunion und eine wichtige Persönlichkeit der russischen Musikgeschichte.
„Die Werke von Prokofjew, Schostakowitsch, Mjaskowskij und Schebalin wurden der Welt als neue Errungenschaften der sowjetischen Musik kundgetan, wobei ihr Subjektivismus, Konstruktivismus, extremer Individualismus und die Kompliziertheit der Musiksprache angepriesen wurden, also alles das, was der Kritik unterliegen müßte.“ – Resolution des Zentralkomitees der KPdSU vom 10. Februar 1948.
Der "Rachmaninoff von heute" - Konstantin Scherbakov
Bereits mit elf Jahren gab Konstantin Scherbakov sein Debüt, als er das erste Klavierkonzert von Beethoven mit dem Philharmonischen Orchester seiner Geburtsstadt Barnaul spielte. Er wurde von dem legendären Professor Lev Naumov – einem Schüler des ebenfalls legendären Heinrich Neuhaus - am Moskauer Tschaikowsky Konservatorium ausgebildet. Dem sensationellen Gewinn des ersten Rachmaninow-Wettbewerbs (1983) in Moskau folgten Wettbewerbserfolge u.a. in Zürich, Bozen, Rom und Montreal. Der Auftakt zu seinen großen Erfolgen in Westeuropa erfolgte 1990 beim Internationalen Kammermusikfestival in Asolo, wo er das gesamte Klavierwerk von Rachmaninow in Anwesenheit von Swjatoslaw Richter spielte. Konzerte und Tourneen in ganz Europa waren die Folge.
Seit 1992 wohnt Scherbakov mit seiner Familie in der Schweiz. Seine künstlerische Aktivität umfasst Auftritte bei wichtigen Festivals (u.a. Frankfurt, Bad Kissingen, Bregenz, Luzern, Lugano, Schubertiade und Klavierfestival Ruhr, Salzburger Festspiele), Radio- und Fernsehaufnahmen (u.a. für ARD, SF, Radio France Musique, Radio DRS 2, BBC), Rezitals sowie Konzerte mit Orchestern in aller Welt. Der Pianist hat eine Professur an der Hochschule für Musik Winterthur-Zürich inne. Er hat weltweit Meisterkurse gegeben und ist Jury-Mitglied verschiedener internationaler Wettbewerbe (u.a. Busoni - Wettbewerb Bozen und F. Liszt - Wettbewerb Weimar).