Quartett mit Visionen
Manchmal braucht es Tage oder sogar Wochen, bis die Idee zu einem neuen Stück Musik entsteht. Manchmal geht es aber auch ganz schnell, so wie bei "Samba" von Jakob Encke.
Während sich einige Komponisten stundenlang im Improvisieren verlieren, saß er zusammen mit seinen Ensemblekollegen in den Räumen der Musikhochschule seiner Heimatstadt Hannover und hatte innerhalb weniger Minuten das Hauptmotiv in den Fingern bzw. auf den Saiten. "Bis das Stück fertig war", sagt Encke, "verging nicht einmal ein Tag."
Seit 2014 Jahren geht das vision string quartet neue Wege in der Musik. Neben klassischer Streichquartett-Literatur bewegt es sich selbstbewusst auf der Schnittstelle von Klassik, Jazz, Rock, Pop und Funk. Da es fernab des gängigen Repertoires nur wenige Stücke gibt, die das Profil der vier jungen Musiker treffen, ließen sie von Anfang an für sich arrangieren. Doch der Drang nach eigener Musik wuchs. "Wir haben eine ganz eigene Vorstellung davon, wie unsere Musik klingen soll", sagt Encke. "Und wenn wir eigene Stücke schreiben, können wir diese auch umsetzen."
Auch vor seiner Zeit im vision string quartet hat Encke komponiert. Eigentlich, wie er sagt, seitdem er denken kann. Stundenlang saß er in seinem Zimmer und frickelte nicht nur auf seiner Violine, sondern auch am Computer. Vieles von dem, was er sich damals ausdachte, blieb in der Schublade, denn eine richtige Bühne gab es dafür noch nicht. Heute, als Mitglied des Ensembles, ist das anders.
Mit "Samba" haben Encke und seine Ensemblekollegen ein klassisches Stück im Popformat geschaffen. Nach nur wenigen Takten seines lässig-sonnigen Sounds sitzt man am anderen Ende der Welt und schaut ihnen in die Sonne blinzelnd beim Spielen zu. Um sich, wie Encke sagt, freier zu fühlen, haben sie ihre Instrumente umfunktioniert, sodass sie nicht wie gewohnt unter dem Kinn sondern wie hawaiianische Ukulelen unter dem Arm geklemmt sind. "Samba" geht ins Ohr und erinnert mit seiner sympathischen Leichtigkeit sogar an Indie Pop-Bands wie Kings of Convenience.
vision string quartet
Ob solistisch oder als Ensemble - Jakob Encke und Daniel Stoll (Violinen), Sander Stuart (Viola) und Leonard Disselhorst (Violoncello) haben zahlreiche Studien-, Konzert- und Wettbewerbserfahrungen gesammelt. Denn die Bühne, das ist ihr Spielraum. Hier gibt es keine Notenpulte oder Stühle. Die vier haben ihre Musik im Kopf und können sich dadurch frei im Raum bewegen. "Da entwickelt sich ein Raumklang um mich, und die Suche nach unserem Klang macht [noch mehr] Spaß", so Leonard Disselhorst. Als vision string quartet bespielen die vier mittlerweile ganz Europa. Neben klassischen Konzerträumen und –reihen, wie dem Gewandhaus Leipzig oder dem Rheingau Musik Festival, ist es besonders offen für innovative Konzertformate. Sie arbeiteten bereits mit dem Bundesjugendballett unter John Neumeier zusammen, wirkten bei der Klanginstallationen des 360 Grad Streichquartett-Fests bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern mit und waren mit einem eigenen Format für Familien beim Podium Festival Esslingen und in der Philharmonie Luxembourg zu Gast.
2016 gewann das vision string quartet beim Concours de Genève den 1. Preis. Und damit nicht genug: das junge Streichquartett aus Berlin errang auch alle vier Sonderpreise des renommierten internationalen Wettbewerbs. Die hochkarätig besetzte Jury und das Publikum waren sich einig, in dem vision string quartet ein aus der Gattung Streichquartett herausragendes junges Ensembles zu sehen.
Seit 2015 wird das vision string quartet als "SWR2 New Talent" gefördert.