Musikstück der Woche vom 08.08.2016

Teuflisch gute Kirchenmusik

Stand
Autor/in
Katharina Höhne

Wolfgang Amadeus Mozart: Vier Kirchensonaten für 2 Violinen, Bass und Orgel

Wolfgang Amadeus Mozart hatte ein göttliches Talent. Sein Charakter dagegen war eher von teuflischer Natur. Er log, betrog und zog leidenschaftlich gern über andere her, vor allem über die "Pfaffen", von denen er zeitlebens nicht viel hielt. Dass er trotz allem ein gläubiger Katholik war, der die Allmacht Gottes, wie er einmal seinem Vater schrieb, achtete, ist nur schwer vorstellbar.

Vielleicht blieb deshalb bis ins 20. Jahrhundert hinein fast unbemerkt, dass er neben genialen Einfällen wie der "Zauberflöte" oder der Serenade "Eine kleine Nachtmusik" auch geistliche Musik komponiert hat. Selbst unter ausgewiesenen Mozart-Kennern wurden diese Werke lange Zeit belächelt. Dabei sind sie echte Meisterwerke. Das österreichische Ensemble Concilium Musicum Wien hat im Mai 2015 im Rahmen des Internationalen Bodenseefestivals vier Mozartsche Kirchensonaten gespielt.

Gottgläubig und kirchenskeptisch

"Ich habe Gott immer vor Augen. Ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn: Aber ich erkenne auch seine Liebe, sein Mitleiden und Barmherzigkeit gegen seine Geschöpfe, er wird seine Diener niemals verlassen" so Wolfgang Amadeus Mozart. 

Der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart
Der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart

Von 1779 bis 1781 bekleidete Wolfgang Amadeus Mozart in Salzburg das Amt des Hoforganisten. Obwohl in ihm, wie der Brief an seinen Vater Leopold aus dem Jahr 1777 zeigt, durchaus ein gläubiger Christ steckte, hätte er sich wahrscheinlich niemals selbst auf diesen Posten beworben. Zu eng waren ihm die Vorgaben der katholischen Kirche, zu mittelalterlich die Ansichten ihrer Ausführenden.

Der autoritäre Vater

Leopold sah das anders. Von Kindheitstagen an, wusste er, was "das Beste" für seinen Sohn war und verfolgte Zeit seines Lebens das Ziel, ihn groß herauszubringen. Wochenlang reiste er mit ihm als "Wunderkind" durch Europa. Dass Wolferl, wie er in der Familie genannt wurde, dabei manchmal vor Hunger oder Krankheit fast gestorben wäre, kümmerte ihn wenig. Er sollte begeistern und damit die heimische Familienkasse zum Klingen bringen.

Auch als Mozart erwachsen war, hatte Leopold das Sagen. Er war sein Manager, der ihn zwei Jahre vor seinem Amtsantritt mit dem Versprechen ein internationaler Star zu werden, erneut auf Europa-Tournee geschickt hatte. Doch als Mozart nach Salzburg zurückkehrte, hatte er nichts als ein dickes Minus auf seinem Konto und dazu ein gebrochenes Herz. Seine Mutter, die ihn auf seiner Reise begleitet hatte, war kurz vor der gemeinsamen Rückkehr gestorben. Anstatt zu trauern, musste es auch diesmal weitergehen und so startete Mozart seinen Job als Hoforganist. 

Keine musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten für den Hoforganisten

Nur zwei Jahre blieb er im Amt, da die tyrannische Art seines Auftraggebers Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo für ihn nur schwer zu ertragen war. Sie nahm ihm den Raum, sich künstlerisch frei zu entfalten. Dazu hatte Colloredo kurz vor seinem Amtsantritt grundsätzliche Änderungen im Bereich der Messegestaltung durchgesetzt, sodass ein Gottesdienst in Salzburg ab sofort nicht länger als 45 Minuten sein durfte. Die musikalische Gestaltung hatte er damit quasi gen Null gefahren. 

Kirchensonaten als Kürzestkompositionen

Zur damaligen Zeit gehörten die sogenannten Kirchen- bzw. Epistelsonaten fest zur Messe dazu. Mozart schrieb in seinem Leben insgesamt 17, obwohl ein paar bereits vor seiner Zeit als Hoforganist entstanden waren. Sie erklangen nach der Epistellesung, also zwischen dem Gloria und dem Credo.

Nach Colloredos neuem Zeitplan durften sie nur noch zwei bis drei Minuten dauern, was eine echte Herausforderung für den jeweiligen Komponisten bedeutete. Aber Mozart wäre nicht Mozart, wenn er nicht trotzdem kleine Meisterwerke daraus gemacht hätte. Er komponierte einzigartige liturgische Miniaturen, in denen er konzentriert aber verspielt-phantastisch eine musikalische Idee auf den Punkt brachte. 

Concilium musicum Wien

Das Concilium musicum Wien wurde von dem Geiger und Bratschisten Paul Angerer zusammen mit seinem Sohn Christoph Angerer (Viola) 1982 gegründet und ist heute für sein umfangreiches musikalisches Spektrum – von Musik der Barockzeit bis hin zur Tanzmusik des 19. Jahrhunderts – weit über die österreichischen Grenzen hinaus bekannt. Immer wieder holt es die Musik vergessener Komponisten oder selten gespielte Werke auf die Podien internationaler Konzerthäuser oder Festivals und nutzt für die Interpretation historisch-originale aber auch seltene Instrumente wie die Glasharmonika. 

Vom Kammermusikensemble bis zur Orchesterformation konzertiert das Concilium musicum Wien von der italienischen Stadt L'Aquila über Zürich bis hin zur chinesischen Provinz Xian und steht regelmäßig für Ton- und Bildaufnahmen im Studio. Für die Gesamtaufnahme von Mozarts "Kirchensonaten" wurde dem Ensemble von der Mozartgemeinde Wien und der Stadt Wien der Mozart-Interpretationspreis "Flötenuhr" verliehen. 

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Katharina Höhne