Musikstück der Woche vom 6.6.2016

Dem Trend auf der Spur

Stand
Autor/in
Katharina Höhne

Johann Melchior Molter: Konzert für Klarinette, Streicher und Basso continuo Nr. 5 D-Dur, MWV VI:36

Als in einer kleinen Instrumentenwerkstatt vor gut 300 Jahren die Klarinette erfunden wurde, ging ein hörbares Raunen durch die Musikwelt. Denn der Ton, die Stimmung und auch die Art, wie man das neue Instrument zu spielen hatte, sorgte binnen kürzester Zeit für restlose Begeisterung. Trotzdem traute sich anfangs keiner an die Klarinette heran – bis der Komponist Johann Melchior Molter den ersten Versuch wagte. Molters Klarinettenkonzert Nr. 5 in D-Dur haben der russische Klarinettist Kyrill Rybakov zusammen mit dem Gottesauer Ensemble im November 2014 im Asamsaal von Schloss Ettlingen eingespielt.

Ein junger Thüringer in Baden

Der Komponist Johann Melchior Molter
Der Komponist Johann Melchior Molter

Als der bayerische Instrumentenbauer Johann Christoph Denner um 1700 die Klarinette erfand, kam ein Instrument auf den Markt, das bis dato keiner kannte. Obwohl sie auf der Funktionsweise und Spieltechnik anderer Holz- und Blechblasinstrumente basierte, war sie in ihrer Gesamtgestalt ein Novum. Die Klarinette entwickelte sich schnell zum Universalttalent unter den Blasinstrumenten. Sie vereinte nämlich die Spieltechniken von Flötisten und Trompetern, und entlastete aufgrund der dadurch erzielten Tonhöhen die Clarin-Bläser. Stimmfarblich übernahm sie die Vermittlungsrolle zwischen Oboe und Fagott.

Auch wenn die Musikwelt mit großer Euphorie auf das neue Instrument reagierte, brauchte es einige Jahre bis die Klarinette in den Fokus der Komponisten rückte. Auch die damaligen Orchestermusiker gingen zaghaft mit ihr um. Nur einer war neugierig genug, um musikalisch neues Terrain zu betreten: der gebürtige Thüringer Johann Melchior Molter.

Molter war gerade 20 Jahre alt, als er aus seiner Heimatstadt Eisenach in das gerade neu gegründete Karlsruhe zog und eine Stelle als Violinist an der Hofkappelle des Markgrafen Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach antrat. Der junge Musiker schien einen guten Eindruck auf den Herrscher zu machen, sodass dieser ihm eine zweijährige Studienreise nach Italien finanzierte. Im Süden lernte Molter nicht nur führende Komponisten wie Antonio Vivaldi oder Domenico Scarlatti kennen sondern auch die italienische Musik. Reich an Eindrücken kehrte er zurück und wurde kurz darauf zum Hofkappellmeister ernannt. Auf der musikalischen Schnittstelle zwischen Barock und Klassik etablierte sich Molter als Komponist, sodass er 1733, als sein Orchester wegen Sparmaßnahmen für knapp zehn Jahren aufgelöst wurde, direkt eine Stelle als Hofkappellmeister in seiner alten Heimat angeboten bekam. Noch einmal reiste er nach Italien, um seine Vorstellung über Musik zu überdenken. 1742 kehrte er nach Karlsruhe zurück.

Der Wegbereiter des Klarinettenkonzerts

Auch wenn Molters Name heute kaum noch geläufig ist, kann sein Werk mit dem berühmter Komponisten des 18. Jahrhunderts mithalten. Über 600 Stücke soll er aufs Papier gebracht haben. Ob es seiner Intuition oder schlichtweg seiner Neugier geschuldet ist, dass er sich plötzlich für die Klarinette interessierte, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Klar ist nur, dass er mit seinen insgesamt sechs Konzerten Pionierarbeit leistete. Molter war ein Komponist am Puls seiner Zeit. 

In seinem dreisätzigen Klarinettenkonzert Nr. 5 in D-Dur vereint Molter barocke Tradition – ein getragener aber majestätischer Klang – mit der damaligen klassischen Moderne. Dazu mischt er tänzerische Leichtigkeit und Verspieltheit italienischer Musik à la Vivaldi. Die Klarinette brilliert mit jedem Ton und klingt hier und da wie eine über sich hinauswachsende Trompete.

Kyrill Rybakov, Klarinette

Kyrill Rybakov ist ein Weltenbummler. Seit seiner Ausbildung zu einem der bedeutendsten Klarinettisten dieser Tage, reist er quer durch Europa. Sein Studium schloss der gebürtige Russe am Pariser Conservatoire, am Tschaikovsky-Konservatorium in Moskau sowie an der Hochschule für Musik Freiburg jeweils mit Auszeichnung ab. Daneben erspielte er sich zahlreiche Preise bei internationalen Wettbewerben wie dem Grand Prix des internationalen Wettbewerbs für Klarinettisten und Fagottisten aus Ost Europa (1995) oder dem Kammermusikwettbewerb des Kulturfonds Baden (2002). 

Heute ist Kyrill Rybakov ebenfalls international unterwegs. Sowohl als Solist als auch Kammermusiker gastiert er auf den Podien verschiedener Konzerthäuser und Festivals wie dem Festival "Culturscapes" Basel, dem "ECLAT" Festival Neue Musik Stuttgart oder dem "Schleswig-Holstein music festival", mit Musikern wie Alexei Lubimov oder Terry Riley. 2003 wurde Kyrill Rybakov zur Leitung der Klarinettenklasse am Staatlichen Tschaikovsky-Konservatorium Moskau berufen. Seinen Lebensmittelpunkt bildet aber Karlsruhe.

Gottesauer Ensemble

Das Gottesauer Ensemble formierte sich in Karlsruhe und steht unter der Leitung des Cellisten Dmitri Dichtiar, der sich intensiv mit oft so bezeichneter "alter Musik" verschiedener Epochen beschäftigt. Kein Zufall also, dass auch die musikalischen Programme des Gottesauer Ensembles der historisch informierten Aufführungspraxis verschrieben sind.

In wechselnder Besetzung bringt das Musiker-Kollektiv immer wieder Musik zu Gehör, die in der Gegenwart nur noch selten gespielt wird. Das jüngste Wiederhören gibt es nun sogar als CD: Im Jahr 2015 produzierte das Gottesauer Ensemble bei dem Label Musicaphon eine Aufnahme mit sechs Concerti von Johann Melchior Molter. Der Anlass für diese Einspielung war Molters 250. Todestag.

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Katharina Höhne