Musikstück der Woche vom 19.10.2015

Jan Křtitel Vaňhal: Orgelkonzert F-Dur

Stand
Autor/in
Doris Blaich

Raus aus den böhmischen Dörfern!

Die Musik ermöglichte Vanhal einen erstaunlichen sozialen Aufstieg: vom leibeigenen Bauernsohn zum angesehenen Komponisten. Sein Orgelkonzert ist unser Musikstück der Woche. Der Mitschnitt stammt vom Internationalen Bodenseefestival 2015.

Namenswirrwarr und soziale Not

Allein sein Nachname ist in mindestens sechs verschiedenen Schreibweisen überliefert: Vanhal mit und ohne Hacek-Häkchen auf dem n, Wanhal, Vanhall, Wanhall und van Hal. Als Vorname hat sich Johann Baptist eingebürgert, auch hier gibt es diverse Varianten. Eindeutig sind immerhin sein Geburtsdatum und -ort: der 12.Mai 1739 in Nové Nechanice, einem Bauerndorf in Böhmen. Vanhals Eltern waren leibeigene Bauern. Schullehrer und Kirchenorganisten entdeckten sein musikalisches Talent, in der Gräfin Schaffgotsch, der Gemahlin seines Grundherren, fand er eine wichtige Förderin. Sie ermöglichte ihm Unterricht in Wien, wo er unter anderem bei dem Komponisten Carl Ditters von Dittersdorf lernte.

Mit Musik freigekauft

In den 1760-er Jahren gelang es Vanhal, im Wiener Musikleben Fuß zu fassen. Adlige und reiche Bürger fanden Gefallen an seinem Geigenspiel und seinen Kompositionen und ließen sich von ihm unterrichten. Mit diesen Einkünften kaufte er sich aus der Leibeigenschaft frei.

Als erster Geiger spielte Vanhal bei einer Aufführung von Glucks Oper "Orfeo ed Euridice" mit, veröffentlichte eine Reihe von Sinfonien (die zu den wichtigen Werken der Klassik zählen, aber heute im Schatten von Mozart, Haydn und Beethoven stehen), unternahm eine Studienreise nach Italien und komponierte zwei Opern, von denen leider jede Spur fehlt.

Vanhal glänzt durch bedarfsorientiertes Musikmachen

Zurück in Wien, genoss Vanhal die Förderung der ungarischen Adelsfamilie Erdödy. Zahlreiche Konzerte entstanden (darunter 19 für Klavier, 11 für Flöte und eines für Kontrabass), nochmals Sinfonien, Kammermusik und geistliche Vokalwerke.

In seinen letzten Lebensjahren verlagerte er seinen Schwerpunkt auf die Komposition von Kirchen-, Orgel-, und vor allem Klaviermusik: seit 1780 erschienen allein in Wien fast 300 Drucke mit seiner Musik. Mozart hat die Stadt Wien einmal als "Clavierland" bezeichnet, und diese Begeisterung fürs Klavier, die eine wachsende Zahl von Hobbypianisten unterschiedlichsten Niveaus nach sich zog, ermöglichte es Vanhal, auf die fürstliche Patronage zu verzichten und von den Einnahmen als freischaffender Komponist und Musiklehrer zu leben.

Orgelkonzert F-Dur

Die Noten von Vanhals Orgelkonzert wurden zu seinen Lebzeiten nicht gedruckt, das Kompositionsdatum lässt sich nur vage mit "um 1800" angeben. Die Stimmen (zwei Geigen, Kontrabass und die Orgelstimme) sind im erzbischöflichen Schloss Kremsier überliefert. Vermutlich diente das Konzert als Eingangs- oder Schluss-Stück im Gottesdienst. Anders als in den meisten Solokonzerten der Zeit hat die Orgel keinen einzigen Takt Pause: wenn sie nicht solistisch hervortritt, unterstützt sie das kleine Orchester als Continuo-Instrument.

Die Interpreten

In unserem Live-Mitschnitt spielt der Organist Peter Frisée den Solopart auf der Orgel der Marienkapelle Illmensee-Ruschweiler, er wird begleitet vom Concilium musicum Wien. Auf Originalinstrumenten spielen Christoph Angerer und Luis Morais (Violine) und Herwig Neugebauer (Kontrabass).

Stand
Autor/in
Doris Blaich