Musikstück der Woche vom 29.06.2015

Blendwerk für die Damen

Stand
Autor/in
Katharina Höhne

Frederic Chopin: Introduction et Polonaise brillante op. 3

Der polnische Komponist Frédéric Chopin liebte die Frauen. Trotzdem: würde man versuchen, sein Leben zwischen zwei Buchdeckel zu stecken und Liebesromane darüber zu schreiben, wäre er der tragischste Held aller Zeiten. Denn seine Liebe, die er zeitlebens für so manche Frau empfand, war nie die erfüllende. Im Gegenteil. Sie sorgte für ein schmerzendes Herz - und für wunderbare Musik, wie beispielsweise für die "Introduction et Polonaise brillante" op. 3. Harriet Krijgh (Violoncello) und Kamilla Isanbaeva (Klavier) haben diese Herzschmerz-Musik am 2. Juni 2013 bei den Schwetzinger SWR Festspielen auf die Bühne gebracht.

Chopin, der Melancholiker

Der Komponist Frédéric Chopin
Der Komponist Frédéric Chopin

Frédéric Chopin war 19 Jahre alt als er im Sommer 1829 zum ersten Mal nach Wien reiste. In der Stadt, durch deren Straßen noch die Geister der großen Komponisten wandelten, wollte er sich einen Namen zu machen. Zu allererst als Pianist. Dem Abschluss am Warschauer Konservatorium in der Tasche, reiste er durch die großen Metropolen der damaligen Zeit und bespielte jede Bühne, die ihm dabei begegnete. Europa war sofort begeistert. In der Allgemeine Musikalische Zeitung stand: "Herr Chopin, Pianist aus Warschau, […] führte sich als Meister vom ersten Range ein. Die ausgezeichnete Zartheit seines Anschlags, eine unbeschreibliche mechanische Fertigkeit, sein vollendetes, der tiefsten Empfindung abgelauschtes Nuanciren, Tragen und Schwellen der Töne, des Vortrags so seltene Klarheit und seine durch hohe Genialität gestempelten Erzeugnisse – Bravour – Variationen, Rondeau, freye Phantasie, geben den von der Natur so überaus freygiebig bedachten, selbstkräftigen Virtuosen zu erkennen, der, ohne vorher gegangenes Ausposaunen, als eines der leuchtendsten Meteore am musikalischen Horizonte erscheint." 

In gleichen Sommer verliebte sich Chopin zum ersten Mal, in eine hübsche, junge Polin. Leider blieb seine Liebe unerwidert, sodass er zum ersten Mal spürte, wie sich ein gebrochenes Herz anfühlt. Denn Chopin war nicht nur hochtalentiert sondern auch sehr sensibel. Ein Grund, warum seine Musik oft klingt wie sie klingt: Melancholisch, wehmütig. Chopin wurde von seinen Freunden immer als ein bescheidener und zarter Mensch beschrieben, der zwar auch mal leidenschaftlich sein konnte, aber dennoch nie sein Innerstes nach außen trug. Alles, was ihn umhertrieb behielt er für sich oder verriet es der Musik, die die schrieb. 

In dem Moment, in dem ihn zum ersten Mal eine Frau das Herz brach, bekam er eine Einladung des tschechischen Fürsten Antoni Radziwill. Er wollte den jungen, vielversprechenden Pianisten um sich haben und lud ihn auf sein Jagdschloss Antonin in der Provinz Posen ein. Chopin nahm an, vielleicht auch weil er wusste, dass Radziwill zwei Töchter hatte, von der die eine, Wanda, Klavier spielte. Für Wanda und ihren Vater, der nicht nur ein großer Musikliebhaber sondern auch leidenschaftlicher Cellist und sogar Komponist war, schrieb Chopin während seines Aufenthaltes die Polonaise Brillante. In einem Brief an einen Freund verriet er: "Ich habe bei ihm [dem Fürsten] eine alla polacca mit Violoncello geschrieben. Nichts außer Blendwerk darin, für den Salon, für die Damen, – siehst Du, ich wollte, dass die Prinzessin Wanda es lernt. – Ich gab ihr quasi in quasi in dieser Zeit Unterricht."

Die Introduktion zur Polonaise folgte ein halbes Jahr später, im Frühling 1830. Beide Werke zusammen erklangen dann im Sommer, kurz bevor Chopin ein zweites Mal nach Wien reiste und nie wieder nach Polen zurückkehrte. Die politischen Unruhen in seinem Heimatland sorgten europaweit für Schlagzeile und Paris, die "schönste aller Welten", wie er sagte, hatte ihn bereits in ihren Bann gezogen. 

Das Ich, das Klavier und sonst nichts

Während sich seine Zeitgenossen quer durch alle Gattungen komponierten, blieb Chopin nur einem Instrument treu: dem Klavier, seinem Seeleninstrument. Es gibt kein einziges unter seinen Werken, in dem es nicht zu hören ist und vor allem in dem es keine tragende Rolle spielt. Auch in der Polonaise steht nicht wie damals üblich das Cello im Vordergrund sondern das Klavier – was viele Cellisten durchaus störte. Sie mochten Chopins Werk, doch es war in ihren Augen zu anspruchslos. Gerade im 19. Jahrhundert, wo Virtuosen für jede Menge Furore sorgten, wollten auch sie schillern, doch so ging das nicht. Also fingen sie an es zu bearbeiten. Immer öfter, jeder für sich. Als Chopin, 1833 in Paris, den französischen Cellisten Auguste Franchomme kennenlernt, fängt auch er an, sein Stück zu bearbeiten. Mit der Hilfe seines mittlerweile guten Freundes tüftelt er noch einmal an den Noten, bis ein energiegeladenes, leuchtendes und zugleich brillantes Charakterstück entsteht, in dem sich heute Cello und Klavier fast gleichberechtigt begegnen. 

Harriet Krijgh (Violoncello)

Harriet Krijgh ist eine der vielversprechendsten jungen Cellistinnen unserer Zeit. Sie besitzt eine "künstlerische Präsenz, die wirklich nur sehr selten zu beobachten ist", schreibt die Presse. "Harriet Krijgh verschmilzt regelrecht mit ihrem Violoncello" – natürlich, ausdrucksstark und innig zugleich. 

1991 in den Niederlanden geboren, erhielt Harriet Krijgh mit fünf Jahren ihren ersten Cello Unterricht. 2000 wurde sie Jungstudentin an der Hochschule für Musik Utrecht und ging 2004 nach Wien, um an der Konservatorium Wien Privatuniversität Cello zu studieren. Seit September 2013 ist Harriet als "Junge Solistin" an der renommierten Kronberg Academy. Ihre künstlerische Ausbildung in Wien setzt sie parallel dazu fort. Harriet Krijgh hat bereits in renommierten europäischen Konzerthäusern in Wien, Rotterdam und Amsterdam gespielt und war bei zahlreichen Festivals, wie den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern zu Gast, wo sie 2013 mit dem WEMAG Solistenpreis ausgezeichnet wurde. Sie ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe und hat bereits drei CDs veröffentlicht. Auf Burg Feistritz in Österreich hat die Cellistin ein eigenes Festival "Harriet & Friends" initiiert, bei dem sie alljährlich im Juni mit befreundeten Musikern aus aller Welt Kammermusik spielt. 

Kamilla Isanbaeva (Klavier)

Kamilla Isanbaeva wurde in Usbekistan geboren. Bereits mit fünf Jahren ging sie an das Konservatorium der usbekischen Hauptstadt Taschkent, wo sie nicht nur Klavier- sondern auch Orgel- und Violinunterricht erhielt. Mit zehn Jahren wechselte sie für ein Jahr nach Moskau, bevor es in die Niederlande ging, um wie ihre Duo-Partnerin Harriet Krijgh Mitglied der Klasse junger Talente in Utrecht zu werden. 

Seit ihrer Kindheit hat Isanbaeva an zahlreichen internationalen Musikwettbewerben teilgenommen und verschiedene Preise gewonnen. Neben Recitals in den Niederlanden ist sie bei Musikfestivals auf der ganzen Welt zu Gast. Mit Krijgh spielte die Pianistin die von der Kritik hoch gelobte CD "The French Album" mit Musik von Franck, Debussy, Fauré und Offenbach ein, die im März 2012 erschienen ist. Isanbaeva lebt heute in London.

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Katharina Höhne