Musikstück der Woche mit dem Azahar Ensemble

Anton Reicha: Bläserquintett h-Moll op. 99 Nr. 5

Stand
Autor/in
Katharina Höhne

Auch wenn Anton Reicha heute oft zwischen den Namen der großen Komponisten des 19. Jahrhunderts verschwindet, ebnete er vielen von ihnen den Weg. Als Professor am renommierten Konservatorium in Paris rüstete er Talente wie Franz Liszt oder Hector Berlioz mit dem richtigen Handwerkszeug aus und ermutigte sie, neue Wege in der Musik zu gehen – genau wie er.

Reicha war der erste, der das Bläserquintett als eigenständige Gattung etablierte. Am 9.10.2016 hat das spanische Azahar Ensemble op. 99 Nr. 5 von Anton Reicha im Rahmen der Bruchsaler Schlosskonzerte auf die Bühne gebracht.

Insgesamt 24 Werke veröffentlichte Anton Reicha für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott. Mit größter Akribie erkundete er jedes der fünf Instrumente und untersuchte, was klanglich und spieltechnisch auf ihnen möglich war. Rat holte er sich bei seinen Professorenkollegen am Pariser Konservatorium. Denn neben ihren Lehraufträgen gehörten Louis François Dauprat (Horn), Joseph Guillou (Flöte), Antoine Henry (Fagott), August Georges Gustave Vogt (Oboe) und Jacques Jules Bouffil (Klarinette) zu den herausragenden Solisten ihrer Zeit. 1814 stellten sie das erste von Reichas Bläserquintetten vor. Unsicher wie die neue Musik wirke, dauerte es weitere drei Jahre, bis sich Reicha regelmäßig an die Öffentlichkeit traute. 

Im Foyer des Théâtre Favart in Paris ließ Reicha nach und nach seine Werke aufführen. Die Resonanz war überwältigend. Am 1. April 1818 schrieb die Allgemeine Musikalische Zeitung: „Diese Quintette und der Vortrag derselben […] sind in dieser Art unstreitig das Vollendetste, was ich je gehört habe. Wenn es möglich wäre, Haydn in der Quartetten- und Quintettencomposition zu übertreffen; so wäre dies von Reicha mit den erwähnten Quintetten geschehen. Mich dünkt, es ist unmöglich, mehr Correctheit und Klarheit mit mehr Erfindung und Originalität zu vereinigen." 

Zwischen Abschied und musikalischem Neuanfang

Reicha war zehn Jahre alt, als er von Prag ins schwäbische Wallerstein zog. Nach dem frühen Tod seiner Eltern, wuchs er bei seinem Onkel Joseph Reicha auf, einem angesehenen Musiker der damaligen Zeit. Er setzte sich dafür ein, dass sein Neffe sowohl eine allgemeinbildende als auch eine musikalische Ausbildung erhielt und nahm ihn mit, als er als Kapellmeister an den Hof von Bonn gerufen wurde. Als Flötist saß Reicha nun neben Musikern wie Ludwig van Beethoven im Ochester. Als die Bonner Hofkappelle im Zuge der französischen Besetzung aufgelöst wurde, stand Reicha erstmals auf eigenen Füße. Nach Stationen in Hamburg und Wien ließ er sich 1808 in Paris nieder, um als Professor für Kontrapunkt und Fuge am Konservatorium zu unterrichten und musikpädagogische Schriften zu veröffentlichen. 

Obwohl er mit großer Leidenschaft lehrte, schien er als Komponist erfolglos zu bleiben. Zwar hatte er immer wieder Werke geschrieben, doch schienen diese in der Öffentlichkeit kaum Widerhall zu finden. Mit den Bläserquintetten schaffte er den langersehnten kompositorischen Durchbruch. Reichas Erfolgsgarant? Er übersetzte etablierte Kompositionskonzepte auf originelle Weise und ließ Flöte, Oboe, Fagott, Horn und Klarinette gleichberechtigt mit ihrem ganz eigenen Charakter einander begegnen.

Azahar Ensemble

Der spanische Flötist Frederic Sánchez Muñoz lernte María Alba Carmona Tobella (Oboe), Gonzalo Esteban Francisco (Klarinette), Antonio Lagares Abeal (Horn) und María José Zamora (Fagott) im Nationalen Jugendorchester von Spanien kennen. Gemeinsam gründeten sie 2010 das Azahar Ensemble und gingen ausgezeichnet mit dem Stipendium „Fundación JONDE-BBVA“ an die Hochschule für Musik Basel, um bei dem italienischen Fagottisten Sergio Azzolini zu studieren. Seitdem nimmt das Quintett regelmäßig an internationalen Wettbewerben Teil und gewann bereits u. a. den ersten Preis beim Orpheus-Wettbewerb des Swiss Chamber Music Festivals Adelboden (2011) sowie den zweiten Preis beim renommierten ARD Musikwettbewerb in München 2014 (ein erster Preis wurde nicht vergeben). 

Alle fünf werden regelmäßig eingeladen, in führenden Orchestern weltweit zu spielen, darunter das London Philharmonic Orchestra oder die Sächsische Staatskapelle Dresden. Daneben sind Frederic Sánchez Muñoz und Antonio Lagares Abeal als freischaffende Musiker tätig. María Alba Carmona Tobella ist Mitglied der Philharmonia Zürich und des Ensembles Spira Mirabilis. María José García Zamora ist Solo-Fagottistin an der Komischen Oper Berlin und Gonzalo Esteban Francisco ist Solo-Klarinettist des Malaysian Philharmonic Orchestra. 

Den Namen Azahar entlieh sich das Ensemble der weißen Blüte der Organgenbäume, die die Strände der spanischen Mittelmehrküste säumen. 

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Katharina Höhne