Musikstück der Woche vom 18.07.2016

Kein Scherz, aber was für ein Scherzo!

Stand
Autor/in
Wolfgang Fuhrmann
Doris Blaich

Frédéric Chopin: Scherzo für Klavier Nr. 2 b-Moll op. 31

Etikettenschwindel im besten Sinne - hier steht zwar Scherzo drüber, aber lustig ist dieses Stück wahrlich nicht! Sondern groß angelegte, dramatische Bekenntnismusik. Chopin hat das Scherzo um 1837 komponiert und seiner Schülerin Adèle Gräfin von Fürstenstein gewidmet. In unserem Mitschnitt von den Schwetzinger SWR Festspielen 2013 spielt SWR2 New Talent Alexej Gorlatch.

"Der kühnste Dichtergeist der Zeit"

Der Chopin-Bewunderer Robert Schumann schreibt über das erste von Chopins vier Scherzi für Klavier, "daß man allerdings fragen müsse, wie sich der Ernst kleiden solle, wenn schon der 'Scherz' in dunkeln Schleiern geht." Gegenüber dem Trauermantel des ersten Scherzos wirkt das Gewand des zweiten (unserem Musikstück der Woche) fast schon hell in seiner Vielfalt der Farben und Stimmungen. In die dunkle, dramatische Grundstimmung mischen sich immer wieder verschmitzter Humor und Freude.

Frederic Chopin
Frederic Chopin

Bei dem Kontrast zwischen den raunenden Bassfiguren (sotto voce, also mit gedämpfter Stimme gespielt) und den jäh aufschießenden Akkordsäulen darf man sich durchaus an Faust und Mephisto erinnert fühlen, ebenso wie bei der grandios ausgesponnenen, aber tonal instabilen, unruhig modulierenden Melodie. Auch der scheinbar ruhige Mittelteil in A-Dur entfaltet zwischen choralartigen Akkordblöcken und filigraner Melodik keine eigentliche Mitte – das Werk scheint sich auf zutiefst romantische Weise skeptisch gegenüber allem romantischen Überschwang zu gebärden. Oder in den Worten Robert Schumanns: Chopin "ist und bleibt der stolzeste und kühnste Dichtergeist der Zeit".

Alexej Gorlatch

wurde 1988 in Kiew geboren und lebt seit 1991 in Deutschland. Er begann seine Klavierausbildung im Alter von sieben Jahren bei Eduard-Georg Georgiew in Passau, wurde mit zwölf Jungstudent an der Universität der Künste Berlin bei Martin Hughes und zwei Jahre später bei Karl-Heinz Kämmerling an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Nach dem Abitur setzte er sein Studium in Hannover bei Karl-Heinz Kämmerling und anschließend bei Bernd Goetzke fort.

Preise und Erfolge

Dann kamen die Wettbewerbe – und eine Fülle von Medaillen: Silber in Leeds 2009, ansonsten immer Gold: beim Hamamatsu Competition (2006), dem Internationalen Rubinstein-Wettbewerb, dem Deutschen Musikwettbewerb (2008), beim Dublin Competition (2009) und zuletzt beim Internationalen ARD-Musikwettbewerb (2011). Alexej Gorlatchs intensive Konzerttätigkeit führt ihn auf die wichtigsten Konzertpodien der Welt, unter anderem in die Carnegie Hall New York, Wigmore Hall London, das Konzerthaus Berlin und den großen Saal der Berliner Philharmonie, Salle Alfred Cortot in Paris, das Wiener Konzerthaus, das Festspielhaus Salzburg, Suntory Hall und Tokyo Opera City Concert Hall, Herkulessaal und Philharmonie München, Gewandhaus Leipzig und die St. Petersburger Philharmonie.

Die vielen Daten und Zahlen sind nur der etwas bürokratische Beleg für die schlichte Tatsache, dass wir es bei Alexej Gorlatch mit einer pianistischen Begabung der Sonderklasse zu tun haben: mit einem Musiker, der trotz seiner Jugend nicht nur Virtuosität und Klangkultur zu bieten hat, sondern auch ein genaues Gespür für die Form und den großen Bogen der Werke. Als "SWR2 New Talent" wurde Gorlatch von 2013-15 vom SWR mit Konzertauftritten und Sendungen gefördert.

Stand
Autor/in
Wolfgang Fuhrmann
Doris Blaich