Musikstück der Woche vom 4.2.2013

Opus 100

Stand
Autor/in
Antje Tumat
Doris Blaich

Antonín Dvorák: Sonatine für Geige und Klavier G-Dur op. 100

Für den Familienmensch Dvorák war klar: Das Opus 100 gehört seinen Kindern! So schrieb er für Tochter und Sohn eine Sonatine, die technisch relativ einfach und gleichzeitig musikalisch reich ist. Unser Live-Mitschnitt mit Antje Weithaas und Silke Avenhaus stammt aus einem Bruchsaler Schlosskonzert des SWR vom April 2012.

Wer schon einmal in den Genuss von Geigenunterricht kam, wird sich beim Hören der Sonatine von Antonín Dvořák möglicherweise an eigene Darbietungen erinnern. Sie ist im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten der Geige so feinsinnig komponiert, dass sie auch für weniger fortgeschrittene Schüler zu bewältigen ist. Gleichzeitig erfüllt sie mit ihrem Melodienreichtum in den vier formal traditionell angelegten Sätzen sämtliche Hörerwartungen an ein vollständiges Werk. Dvořák hat sie 1893 für seine Kinder geschrieben: die damals fünfzehnjährige Otilie und den zehnjährigen Antonín. Sie sei „für die Jugend“ bestimmt und „(meinen zwei Kindern gewidmet), aber auch Große, Erwachsene, sollen sich damit unterhalten“, so schrieb er in einem Brief an seinen Verleger.

In der Neuen Welt geschrieben
Ein Jahr zuvor war die Familie Dvořák per Schiff nach New York gereist, denn Dvořák hatte hier nach großen internationalen Erfolgen die Stelle des künstlerischen Direktors am National Conservatory of Music angenommen. Mit der Veröffentlichung seiner von böhmisch-mährischer Folklore geprägten Slawischen Tänze im Verlag Simrock, vermittelt durch den langjährigen Freund Johannes Brahms, war Dvořák in Europa mit einem Schlag berühmt geworden. Das Konservatorium in New York hatte hohe Erwartungen an den neuen Professor: Man erhoffte sich Werke von ihm, die den Anspruch einer eigenständigen „amerikanischen“ Kunstmusik erfüllen sollten. Daher erbat sich Dvořák Transkriptionen von Indianermelodien sowie Spirituals und Plantagenlieder aus dem Süden. Mithilfe dieser Folklore versuchte er, dem an ihn gestellten Wunsch zu entsprechen. Musikalische Elemente wie die Pentatonik (ein Tonvorrat ohne Halbtöne), synkopierte Rhythmen oder rhythmische Ostinati sind in den Kompositionen Dvořáks aus dieser Zeit, etwa in der Symphonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“, dem Streichquartett F-Dur mit dem Beinamen „das Amerikanische“ oder der Sonatine, besonders präsent.

American way of music
Obwohl diese Elemente generell in der Volksmusik – auch der anderer Länder – vorkommen, wurden sie in Dvořáks Musik von den Zeitgenossen (und auch lange noch von der Nachwelt) tatsächlich als „amerikanisch“ empfunden. Besonders im Larghetto, dem berühmtesten Satz setzt der Komponist die Klangwirkung der Pentatonik ein: Nach dem ersten lyrischen, elegisch-klagenden g-Moll-Thema, das Dvořák beim Anblick des Minnehaha-Falls in Minnesota komponiert haben soll, folgt eine leise Aufhellung in B-Dur, in der das Klavier mit den schillernden Effekten der fremdartigen Ganztonskala spielt. Der Verlag Simrock veröffentlichte diesen Satz in Bearbeitungen für unterschiedlichste Instrumente unter Namen wie „Indian canzonetta“ – ohne die Zustimmung des Komponisten; der sich dennoch über den Erfolg dieses so dankbaren Musikstücks freute.

Die Geigerin Antje Weithaas
Die Geigerin Antje Weithaas

Antje Weithaas

Antje Weithaas macht – wie sie selbst sagt – "so ziemlich alles, was man mit der Geige machen kann": Sie gibt als Solistin Konzerte mit den großen Orchestern der Welt, sie spielt leidenschaftlich gerne Kammermusik und hat unter anderem ein eigenes Streichquartett, das Arcanto-Quartett. Außerdem ist sie künstlerische Leiterin der Camerata Bern - ein Kammerorchester, das sie von der ersten Geige aus leitet. Und sie unterrichtet als Professorin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Ihre Geige stammt aus der Werkstatt von Peter Greiner und wurde 2001 gebaut.

Silke Avenhaus
Seit gut acht Jahren machen Antje Weithaas und die Pianistin Silke Avenhaus zusammen Musik. Silke Avenhaus ist gebürtige Karlsruherin, studierte unter anderem bei Sandor Végh und András Schiff Klavier und unterrichtet heute an der Münchner Musikhochschule. Zudem ist sie regelmäßig Dozentin bei der Villa Musica. Die Vermittlung klassischer Musik an die junge und jüngste Generation ist Silke Avenhaus ein besonderes Anliegen, sei es mit Hörbüchern für Kinder, Workshops oder ihrer Beteiligung an dem von Lars Vogt initiierten Projekt „Rhapsody in School“. Silke Avenhaus konzertiert als Solistin und Kammermusikerin, wobei sie sich auch besonders für die Neue Musik interessiert und bereits diverse Uraufführungen gespielt hat.

Stand
Autor/in
Antje Tumat
Doris Blaich