Wilder Ritt durch die Steppe und über die Tastatur
Bei einem Brüssler Privatkonzert spielte Franz Liszt "Mazeppa", die vierte seiner "Etudes d'exécution transcendante". Der Hausherr des Konzerts war Francois-Joseph Fétis, jener belgische Komponist und Musikkritiker also, der Liszt noch ein paar Jahre zuvor im Streit der beiden Rivalen am Klavier, Thalberg und Liszt, letzterem wenig eigene Kreativität zugesprochen hatte. Liszt wollte bei diesem Konzert im Hause seines Kritikers das Gegenteil beweisen. Und es sollte ihm glücken. Fétis rief danach aus: "Voilà la création du piano, on ne savait pas ce que c’était jusqu’ici." ("Das ist die Neuerfindung des Klaviers, von dem man bis heute gar nicht wusste, was es war.")
In "Mazeppa", jene Etüde auf den wilden Kosakenhauptmann, formte Liszt aus einer seinem Lehrer Carl Czerny huldigenden Techniketüde ein poetisches, hochvirtuoses Stück. Sie sollte die berühmteste dieser "Etudes d'exécution transcendante" werden, die als das anspruchsvollste gelten, was die Klavierliteratur zu bieten hat. Jede der 12 Etüden dieses Zyklus‘ eröffnet dabei eine eigene Welt. Sinfonischen Dichtungen gleich entwickelte Liszt für alle 12 Etüden jeweils etwas in Technik und Idee ganz Individuelles und machte aus ihnen wahre Charakterstücke.
Die "Etudes d'exécution transcendante" entstanden über einen langen Zeitraum und veränderten im Laufe der Jahre ihr Konzept und ihren Umfang: Bereits 1826, mit 15 Jahren, schrieb Liszt das thematische Material für die Etüden in einer Urfassung nieder. Damals plante er – mit Blick auf Bachs "Wohltemperiertes Klavier" - allerdings noch 48 Etüden. 11 Jahre später, als Liszt als Star am Klavier in ganz Europa gefeiert war, begann er, sie umzuarbeiten. Reifer und voll der Erfahrungen eines umjubelten Virtuosen erschienen sie schließlich 1839, gewidmet Carl Czerny (in der italienischen Ausgabe allerdings mit einer Widmung an Fréderic Chopin).
Liszt spielte seine "Etudes d'exécution transcendante" im Konzert nicht häufig. Aber da seine Zeitgenossen ihnen nicht selten das Etikett "unspielbar und ungenießbar" anhefteten, griff er als bester Advokat seiner eigenen Musik ab und zu dennoch zu den Tasten. Ressentiments gegen die „Etudes d'exécution transcendante“ jedoch hielten sich hartnäckig: Clara Schumann fand so gar keinen Gefallen an den Etüden, und auch ihr Mann Robert beklagte das "Flitterwerk". Erst Ferrucio Busoni erkannte, dass die Technik hier zur "Helferin der Idee" geworden ist.
In "Mazeppa" beispielsweise kam die Idee in Form eines Gedichts von Victor Hugo daher. Hugo erzählte von Mazeppa, der von seinen Feinden auf ein wildes Ross gebunden durch die Steppe jagt und dabei fast zu Tode kommt. Erst seine Landsleute retten Mazepppa und machen ihn zu ihrem Held. Für Liszt waren Mazeppa und vor allem sein wilder Ritt Vorlage für eine 'Tour d’horizont' des Klavierspiels. Wilder, schneller, heroischer, orchestral-lauter und doch melodiöser geht es kaum noch...
Igor Levit, Klavier
Als jüngster Teilnehmer gewann Igor beim 2005 ausgetragenen International Arthur Rubinstein Wettbewerb in Tel Aviv gleich vier Preise, zudem war er bereits 2004, mit nur 16 Jahren, als zweiter Preisträger beim International Maria Callas Grand Prix in Athen erfolgreich und gewann den International Hamamtsu Piano Academy Competition in Japan. Igor Levit beendete 2011 sein Studium an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, wo er die höchste Punktzahl in der Geschichte des Instituts erreichte. Zu seinen Lehrern gehören Karl-Heinz Kämmerling, Matti Raekallio, Bernd Goetzke, Lajos Rovatkay und Hans Leygraf. Seit 2003 wird Igor Levit von der Studienstiftung des Deutschen Volkes sowie der Deutschen Stiftung Musikleben unterstützt. Er spielt einen Konzertflügel der Marke Steinway D, der ihm großzügig von der Stiftung „Independent Opera at Sadler’s Wells“ zur Verfügung gestellt wird. Geboren 1987 in Nizhni Nowgorod, übersiedelte er im Alter von acht Jahren er mit seiner Familie nach Deutschland. Er lebt in Hannover.
Igor Levit ist ein begeisterter Kammermusiker und hat sich bereits ein umfassendes Kammermusikrepertoire erarbeitet. Er tritt mit Musikern wie Lisa Batiashvili, François Leleux, Valeriy Sokolov, Gautier und Renaud Capuçon, Daniel Müller-Schott, Mischa Maisky und Maxim Vengerov auf. Er hat soeben in einer Reihe von Kammerkonzerten beim Kissinger Sommer mitgewirkt und hat ein Rezital beim Braunschweig Classix Festival gegeben. Auch bei den Salzburger Festspielen hat er bereits gastiert, sowie Klavierabende in Paris, Athen, München und Hannover gegeben.