Musikstück der Woche vom 09.03.2015

Emotionsexplosion

Stand
Autor/in
Katharina Höhne

Leoš Janáček: Sonate für Violine und Klavier

"Jenufa", "Katja Kabanowa" – der tschechische Komponist Leoš Janáček feierte mit seinen Opern zeitlebens große Erfolge. Denn in ihnen legte er ungeschönt alle emotionalen Vorgänge des Menschen offen. Kammermusik schrieb er dagegen kaum, obwohl die Sonate für Violine und Klavier bis heute zu seinen genialsten Ideen gehört. Tianwa Yang (Violine) und Nicholas Rimmer (Klavier) haben sie zum 25. Jubiläum der Kammermusikreihe "Musik im Jägerhaus" am 12. Oktober 2014 in Forst gespielt.

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Leoš Janáček und die Sprachmelodie

Janáček war kein Komponist aus dem Bilderbuch. Er interessierte sich zwar für Musik, agierte als Chorleiter und Musiklehrer und führte regelmäßig ethnologische Musikwissenschaftsstudien durch, doch als Komponist bewegte er sich eher unauffällig – zumindest bis zur Jahrhundertwende. 1854 in Mähren geboren, wuchs er in einer Zeit auf, in der das Bewusstsein und der Stolz für das eigene Land immer stärker wurden. Janáčeks Heimatliebe war in jedem seiner Werke zu hören, die er sehr traditionell und folkloritisch hielt. Erst mit dem anbrechenden 20. Jahrhundert fing er an, moderne Elemente zu integrieren: Er brach Harmonien, experimentierte mit musikalischen Strukturen und stellte emotionale Zustände in ihren Extremen dar.

Egal wo Janáček war, was er tat oder wen er traf, wenn ihm ein Volkslied begegnete, das nicht Teil seiner Sammlung war, schrieb er es auf oder nahm es mit, um es später zu studieren. Er untersuchte jede Wort-Ton-Verbindung, aber auch die Sprache seiner Mitmenschen, ihre Stimmen, und wie sie sich je nach Gefühlslage veränderten. Seine Erkenntnisse ließ er später in seine Kompositionen einfließen.

Die Sonate für Violine und Klavier entstand im Sommer 1914, als die russischen Truppen im Zuge des 1. Weltkriegs in Mähren einmarschierten. Für Janáček, den Patrioten, waren diese Tage sehr aufregende, weil sich in diesem Moment alle(s) bewegte(n). Vor 35 Jahre, als er noch am Leipziger Konservatorium studierte, hatte Janáček schon einmal Violinsonaten komponiert. Bereits damals empfand er die Gattung als besonders geeignet, um Gedanken und Gefühle – das eigene emotionale Empfinden lebendig laut zu machen. Auch diesmal schrieb er fiebrig die ersten Takte, sowie die Sätze zwei und drei, bevor er das Werk liegen ließ und erst sieben Jahre später vollendete. Die Sonate von 1914 ist die einzige, die es in unsere Zeit geschafft hat. Eindrucksvoll bringt sie Janáčeks kompositorische Denke auf den Punkt.

Die Sonate besteht aus den klassischen vier Sätzen und stellt alle erdenklichen emotionalen Zustände und Stimmungen zum Teil recht schroff einander gegenüber. Der erste Satz ist sehr russisch, aufbrausend und lebendig. Der zweite Satz klingt wie eine Ballade, nachtrunken und lyrisch. Ganz im Gegensatz zum dritten Satz, der ein volkstümliches Tanzthema aufgreift und in einen ebenso aufbrausenden vierten Satz mit einem integrierten, aus der Ferne erklingenden Choral mündet.

Tianwa Yang (Violine)

"Tianwa Yang ist die stärkste junge Geigerin, weit und breit" - lobte 2014 die Frankfurter Musikkritikerin Eleonore Büning. 1987 in Peking geboren, erhielt Tianwa Yang mit vier Jahren ihren ersten Geigenunterricht. Schon damals nahm sie an zahlreichen Wettbewerben teil, aus denen sie als Preisträgerin hervorging. Mit zehn Jahren kam sie dann an das Musikkonservatorium ihrer Heimatstadt und spielte drei Jahre später als jüngste Interpretin die 24 Capricen von Niccolò Paganini ein. Zahlreiche weitere CD-Aufnahmen folgten, für die sie im letzten Jahr u.a. mit dem ECHO-Klassik-Preis in der Kategorie "Nachwuchskünstlerin" sowie dem "Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik" ausgezeichnet wurde. 2003 kam Yang zum Kammermusikstudium nach Deutschland.

Yang debütierte bereits auf der ganzen Welt. Sie spielte in großen Konzertsälen wie dem Gewandhaus zu Leipzig oder dem Salle Pleyel in Paris und gastierte bei international renommierten Orchestern wie dem BBC Philharmonic oder dem New Zealand Symphony Orchestra. Die junge Violinistin gehört zur "geigerischen Weltelite", sagt die Presse. Yang spielt eine "Guarneri des Gesu" aus dem Jahr 1730.

Nicholas Rimmer (Klavier)

Der gebürtige Engländer Nicholas Rimmer hat sich vor allem als Kammermusiker und Liedbegleiter in der Musikwelt etabliert. 1981 in Wigan geboren, entwickelte er früh seine Liebe zur musikalischen Vielseitigkeit. Neben Klavier und Komposition, studierte er noch Tonsatz, Dirigieren und Musikwissenschaft.

Seitdem er 2006 den Preis beim Deutschen Musikwettbewerb gewann, spielt und lebt Rimmer in Deutschland. An der Hochschule für Musik und Theater in Hannover setzte er sein Klavierstudium erfolgreich fort. Als Kammermusiker – in verschiedenen Formationen, u.a. mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer und dem von ihm gegründeten Leibniz Trio – gastierte er schon auf zahlreichen internationalen Bühnen. Er spielte u.a. beim Schleswig-Holstein Festival, in der Londoner Wigmore Hall und der Tonhalle Zürich. Mit Tianwa Yang nahm er bereits die kompletten Werke für Violine und Klavier von Wolfgang Rihm auf, für die das Duo bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Seit 2013 unterrichtet Rimmer Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt.

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Katharina Höhne