Musikstück der Woche vom 24.2.2014

Claude Debussy: Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld

Einen poetischen Titel, eleganten französischen Stil und vor allem - mitten im Ersten Weltkrieg - rein gar nichts, was an deutsche Klassiker erinnert. Das wollte Debussy für seine Sonate. Die junge Niederländerin Harriet Krijgh und ihre usbekische Pianistin Kamilla Isanbaeva spielten Debussys späte Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll im Rahmen ihres "Schwetzinger Debuts" am 2.6.2013 bei den Schwetzinger SWR-Festspielen.

Hauptsache französisch

Der Erste Weltkrieg tobte und jeder besann sich auf seine eigene Nation. In Frankreich wurde die Frage nach einer französischen Musik mit der Rückbesinnung auf die eigene Musikgeschichte beantwortet. Allen voran von Debussy, der auf dem Titelblatt seiner Cellosonate seinen Verleger Durand selbstbewusst seinen Namen drucken ließ. Einen Namen mit Programm: "Claude Debussy. Musicien français". Aus tiefster Seele lehnte Claude Debussy die "Austro-Boches" ab, und das betraf natürlich auch deren spätromantische, deutsche Musiktradition. Im gleichen Atemzug prangerte er auch seine eigenen Kollegen an, die französische Musik zu gering zu schätzen: "Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist." Debussy wollte das ändern.

Krank und verbittert machte er sich drei Jahre vor seinem Tod noch an ein ehrgeiziges Projekt. Im Nachhall der barocken Sonatenkunst, die es in Frankreich gab und die mit Namen wie Jean-Philippe Rameau und François Couperin verbunden ist, sollten "Six sonates pour divers instruments" entstehen. Erst schrieb er 1915 die Cellosonate, im gleichen Jahr die Sonate für Flöte, Viola und Harfe und schließlich 1917 noch eine Violinsonate. Sie sollte sein letztes Werk bleiben, den Plan von Sonate Nr. 4 für Oboe, Horn und Cembalo vereitelte sein Krebs-Tod im März 1918. Für die Titelblätter der Sonaten wählten Debussy und sein Verleger Lettern des typischen Notendrucks aus dem 18. Jahrhundert, und nicht nur der Stich der Werke sondern natürlich auch ihre Komposition huldigten in besonderer Weise der vorklassischen Musik aus Frankreich.

Keine der Sonaten ist in der Sonatenform klassisch deutscher Kammermusik geschrieben, in vier Sätzen, streng nach den ‚Regeln‘ der Tradition eines Beethoven oder Brahms. Alle Debussy-Sonaten sind dreisätzig, frei in ihrer Form, voller poetischer Titel, die auf Antike und Natur hinweisen, auf Lyrik und Drama, elegant und voller Poesie. Die Cello-Sonate beginnt mit einem Prolog, was einer Reminiszenz an die barocke Oper in Frankreich gleichkommt, einer "französischen Ouvertüre". Wie das Cello den punktierten Duktus beantwortet, den das Klavier vorgibt, wie es völlig frei in der Art einer Kadenz auf den Rhythmus reagiert, erinnert in Pathos und Theatralik – für den, dem dazu ein Bild einfällt - der heroischen Geste des Opernhelden einer Lully-Oper.

Satz zwei und drei bilden eine Einheit, eine heitere Einheit. Leicht ironisch im Gitarren-Ständchen-Stil, buffonesk und gezupft, schwerelos. “Ironique” solle das klingen, notierte Debussy. Ein bisschen Commedia dell’arte schillert durch. Und im Finale steht wieder die Verbeugung vor der Barockmusik der Vorfahren im Vordergrund, flirrend über einer Passacaglia im Bass.

Die Verbeugung vor der längst vergangenen eigenen Vorzeit mag aus die politisch-historischen Situation des Ersten Weltkriegs beflügelt haben – für Debussy aber war sie mehr als das: sie schuf ihm eine genuin eigene künstlerische Identität. Pierre Boulez: "An dieser letzten ausschließlich kammermusikalischen Werkgruppe lässt sich ablesen, wie der Komponist sich um eine Kunst von schärferer Spannung, asketischer Haltung bemüht, die auf unmittelbare Verzauberung verzichtet, aber von einem Reichtum der Inspiration ohnegleichen ist."

Harriet Krijgh (Violoncello)

Harriet Krijgh wurde im Juni 1991 in den Niederlanden geboren und erhielt im Alter von fünf Jahren ihren ersten Cello Unterricht. Im Jahr 2000 wurde sie in die Klasse junger Talente an der Hochschule für Musik Utrecht aufgenommen, wo sie von Lenian Benjamins unterrichtet wurde. 2004 verlegte Harriet ihren Lebensmittelpunkt nach Wien, um bei Lilia Schulz-Bayrova und Jontscho Bayrov an der Konservatorium Wien Privatuniversität Cello zu studieren. Seit September 2013 studiert Harriet als "Junge Solistin" an der renommierten Kronberg Academy bei Frans Helmerson, dieses Studium wird durch das Casals-Stipendium ermöglicht. Ihre künstlerische Ausbildung bei Schulz-Bayrova in Wien setzt sie parallel dazu fort.

Harriet Krijgh ist eine der aufregendsten und vielversprechendsten jungen Cellistinnen der Gegenwart. Ihr kantables und ausdrucksstarkes Spiel berührt und begeistert Publikum wie Presse gleichermaßen.Die junge Künstlerin war bereits im Musikverein und im Konzerthaus Wien zu Gast, sie spielte bei den Haydn Festspielen Eisenstadt, bei den Musiktagen Mondsee, bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, beim Festival Sommets Musicaux Gstaad, beim Rheingau Musikfestival und bei den Schwetzinger Festspielen. In den Niederlanden trat sie unter anderem im Concertgebouw Amsterdam, im Muziekcentrum Vredenburg in Utrecht und im de Doelen Konzerthaus von Rotterdam auf.
Zukünftige Engagements führen Harriet Krijgh ins Concertgebouw Amsterdam und in den Musikverein Wien zurück, erstmals spielt sie in der Philharmonie Essen und im Konzerthaus Dortmund. In der Saison 2013/14 ist sie Stipendiatin der Mozart-Gesellschaft Dortmund. In Konzerten mit dem NDR Sinfonieorchester Hamburg und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin wird sie das Cellokonzert von Edward Elgar zur Aufführung bringen.
Harriet ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe. So gewann sie zwischen 2008 und 2010 1. Preise beim „Prinses Christina Concours“ in den Niederlanden, beim Österreichischen Bundeswettbewerb „Prima la Musica“, beim Fidelio-Wettbewerb in Wien, sowie den „Nicole Janigro Preis“ beim internationalen „Antonio Janigro Cello Competition“ in Kroatien. Ein großer Erfolg war der 1. Preis und der Publikumspreis bei der Cello Biennale Amsterdam im November 2012.
Auf Burg Feistritz in Österreich hat die Cellistin ein eigenes Festival „Harriet & Friends“ initiiert, bei dem sie alljährlich im Juni mit befreundeten Musikern aus aller Welt Kammermusik spielt.

Kamilla Isanbaeva (Klavier)

Gemeinsam mit Harriet Krijgh hat die Pianistin Kamilla Isanbaeva die von der Kritik hoch gelobte CD "The French Album" mit Musik von Franck, Debussy, Fauré und Offenbach eingespielt, die im März 2012 erschienen ist. Isanbaeva, die in Usbekistan geboren wurde, war nach ihrem Umzug in die Niederlande 1994 ebenfalls Mitglied der Klasse junger Talente in Utrecht. Neben Recitals in den Niederlanden ist sie bei zahlreichen Musikfestivals zu Gast. Sie lebt heute in London.

Stand
Autor/in
Kerstin Unseld