La Simphonie du Marais unter der Leitung von Hugo Reyne

Hinreißende Musizierlust

Stand
Autor/in
Dorothea Bossert
Künstler/in
La Simphonie du Marais

CD-Tipp vom 1.6.2018

Knallrot ist die CD des Ensembles „La Simphonie du Marais“. Klappt man das Booklet auf, sieht man etwa dreißig gut gelaunte Leute mit seemannsgeringelten Pullis, Schwimmflossen und Rettungsring am Schwimmingpool posieren, Fischernetz inclusive. Poolparty also, wie es aussieht. Die Stimmung scheint exzellent zu sein. Dass diese Truppe nicht Calpirinhas und Schampusgläser in der Hand hat, sondern Barockinstrumente, das sieht man erst auf den zweiten Blick.

Mit kraftvoller Eleganz

Friedrich Händels Wassermusik – und zwar in einer Einspielung, die es richtig krachen lässt. Schon die augenzwinkernd mit Barockinstrumenten improvisierte Environment-Musik am Anfang versetzt uns überraschend ans oder vielleicht sogar mitten ins Wasser. Möwengeschrei signalisiert, das ist kein Tümpel. Wenn dann die langsame Einleitung richtig dick aufträgt, mit klarem Strich und leuchtenden Farben, reibt man sich verwundert die Ohren über soviel Pathos auf barocken Instrumenten. Bis das Allegro losgeht: knackig, biegsam, mit kraftvoller Eleganz und höchster Präzision auf der Spitze getanzt. Vielleicht ist die Aufnahme nicht jedermanns Sache – aber mir macht es ungeheuren Spaß, mit welch einem hohen interpretatorischen Risiko und welcher hinreißenden Musizierlust diese Musiker noch die letzte Gewohnheit aus den Gehörgängen fegen. Sie verleihen dem populären Erfolgsstück Ecken und Kanten, dass es glitzert und leuchtet, als wäre es eben neu geboren.

30 Jahre Orchestergeschichte

Der französische Blockflötist Hugo Reyne und sein Barockorchester La Simphonie du Marais erhalten in Frankreich regelmäßig die großen Schallplattenpreise, hierzulande sind sie eher ein heißer Tipp unter Eingeweihten. 30 Jahre gibt es das Orchester schon, seit 2004 treffen sich die Musiker an der Mündung der Loire für ihre Projekte. Ihre Spezialität ist es, Barockmusik in einen originalen oder beziehungsreich originellen Kontext zu stellen. Je nachdem kann das ein Festbankett sein, oder Schauspiel, Tanz, Architektur oder auch mal ein Ritt zu Pferde. Auch diese CD ist ein bisschen inszeniert. Hugo Reyne sagt die Stücke laut hörbar an und führt den Hörer im Booklet der CD wie ein Fremdenführer durch die imaginäre Szenerie. Da heißt es zum Beispiel: „Setzen Sie sich, machen Sie es sich richtig gemütlich, holen Sie sich etwas zu trinken und atmen Sie ein und aus, bis Sie das Salz der Seeluft schmecken. Der König kommt. Stolz und ein bisschen traurig, weil sein Sohn, der Prince of Wales nicht teilnimmt an den Feierlichkeiten. Die Anker werden gelichtet, die Seeleute lehnen sich in die Riemen und rudern beide Schiffe, das des Königs und das mit dem 50-Mann Orchester aufs Wasser hinaus. Die andern Boote folgen eilig, um die besten Plätze zu ergattern, so nahe wie möglich beim König…." Naja, und so weiter – ein unterhaltsam spielerischer Kommentar zur Musik, der den Hörer immer wieder ganz direkt anspricht.

Vital, knackig, charaktervoll schroff
Nach Händels Musik für das königliche Souper samt Tanz auf der Themse setzt Hugo Reyne dann noch eins drauf und bittet gleich noch zum Feuerwerk. Der andere Reißer ist also auch noch auf dieser Platte, Händels Feuerwerksmusik: genauso vital, genauso knackig und genauso charaktervoll schroff wie die Wassermusik. „Water music and royal Fireworks“ heißt die CD des Barockensembles aus der Vendee „La Simphonie du Marais“ mit seinem Leiter, dem Blockflötisten Hugo Reyne. Das Label heißt Musiques à la Chabotterie und ist im Vertrieb von Naxos.

CD-Tipp vom 1.6.2018 aus der Sendung Treffpunkt Klassik - Neue CDs

Stand
Autor/in
Dorothea Bossert
Künstler/in
La Simphonie du Marais