Gibt es eigentlich einen Königsweg zwischen Demut und Respektlosigkeit, zwischen einer defensiven und einer offensiven Grundhaltung? Diese CD zeigt beispielsweise: Legitim und möglich ist vieles, denn sie setzt beherzt auf Attacke! Es handelt sich um die beiden Bläserquintette von Mozart und Beethoven, die das Ensemble Dialoghi für Harmonia mundi aufgenommen hat. Die vier Herren und ihre Pianistin nähern sich diesen Werken ganz unerschrocken und selbstbewusst. Sie spielen auf Instrumenten, die getreu historischen Vorbildern aus der Klassik angefertigt wurden, und arbeiten gezielt mit dem Reiz der charakteristischen Klangfarben, bis hin zu den scharfen Akzenten des gestopften Naturhorns.
Wie eine Truppe von Charakterdarstellern oder Komödianten
Das Finalrondo aus Wolfgang Amadeus Mozarts Quintett Es-Dur für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier KV 452 ist eine Aufnahme, die sich von anderen schon dadurch unterscheidet, dass hier ein historisches Tasteninstrument zum Einsatz kommt, der Nachbau eines Fortepianos von Anton Walter aus dem Jahr 1800. Dadurch klingt es weniger nach einem verkappten Klavierkonzert, denn die Bläser werden hier nicht, wie sonst so oft, vom Tastenspiel überdeckt – das Klangbild hat vielmehr etwas Graphisches, man kann die einzelnen Stimmen genau mitverfolgen. Natürlich haben die alten Blasinstrumente noch nicht das vollkommene Ebenmaß ihrer modernen Geschwister. Die Register und Lagen sind stärker voneinander abgesetzt, auch gibt es Schärfen und Verfärbungen. Aber Mozart kannte es nicht anders, er wusste ja genau um diese Eigenarten und bringt sie markant zum Einsatz, etwa wenn er dissonante Akkorde mit den „bellenden“ Sforzati des gestopften Naturhorns noch zusätzlich akzentuiert. Das Ensemble Dialoghi, das 2014 in Barcelona gegründet wurde und Musiker aus Spanien, Italien und Kanada umfasst, agiert dabei wie eine Truppe von Charakterdarstellern oder Komödianten. Und das scheinen die Fünf auch selbst so zu sehen, denn auf dem Cover erscheinen sie geschminkt, mit aufgemalten Schnurrbärten und roten Clownsbäckchen, als wollten sie gleich in einer Commedia dell’arte auftreten. Ihr Spiel hat denn auch einen ausgeprägt theatralischen Zug, der bei Mozart gewiss naheliegt – sein Quintett ist schließlich ein Wahlverwandter der Bühnenwerke. Aber wie sieht es bei Beethoven aus? Nehmen wir den langsamen Satz aus dem Quintett op. 16, das er für dieselbe Besetzung und in derselben Tonart Es-Dur wie Mozart komponiert hat.
Die hohe Kunst des Dialogs
Ja, hier klingt das Ensemble Dialoghi nun doch ganz anders als bei Mozart. Zwar pflegen die Musiker abermals – wie ihr Name es schon vorgibt – die hohe Kunst des Dialogs und der musikalischen Konversation. Aber dabei akzentuieren sie eine Qualität Beethovens, die meist unterschätzt wird: Dieser Komponist war nämlich auch ein Meister der gesanglichen Melodielinien und langen Bögen, die hier wunderbar herausgestellt werden. Das gilt selbst für das historische Fortepiano, dessen gitarren- oder harfenartige Töne eigentlich schneller verklingen als beim modernen Flügel. Aber Beethoven und die Pianistin Cristina Esclapez schließen die Klanglücken durch raffinierte Umspielungen, Ornamente und Arpeggien. Der größte Vorzug des Instruments ist zweifellos die Feinzeichnung – nie verklumpen die Töne, ganz im Gegenteil, sie sind fein säuberlich aufgereiht wie in einer Perlenkette. Es ist Cristina Esclapez hoch anzurechnen, dass sie die Zartheit und Fragilität des Fortepianos sogar noch betont und der Musik damit eine besondere Intimität verleiht: Das ist dann Kammermusik im wahrsten Sinne des Wortes, bestimmt für den kleinen Raum und den ausgewählten Freundeskreis.
CD-Tipp vom 30.9.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt-Klassik - Neue CDs