Fast alles, was im Bereich zeitgenössischer Musik in Bolivien produziert und gehört wird, geschieht in La Paz. Viel ist das nicht: In einem guten Jahr ist es möglich, vier oder fünf Konzerte zeitgenössischer Musik zu hören. Fast alle Instrumentalist*innen gehen ins Ausland, ob nach Deutschland oder die USA, die wenigsten kommen zurück. In diesem Kontext, in dem die finanziellen Mittel knapp sind, in dem es nur wenige gute Interpret*innen gibt, die an der Aufführung zeitgenössischer Musik interessiert sind, und in dem es fast keine Musikinstitutionen gibt, haben wir Komponist*innen gelernt, Schwierigkeiten in Stärken umzuwandeln. Die Lösungen, die wir für Probleme finden, werden zu einem Teil unserer Ästhetik. Die Freiheit, etwas zu tun, ist sehr groß, da sich unsere Arbeit außerhalb ökonomischer Faktoren bewegt. Wir machen uns unsere Institutionen selbst, oder wir sind sie selbst. Die wenigen Ensembles für zeitgenössische Musik bestehen aus uns Komponist*innen. Das bedeutet eine Einschränkung in technischer Hinsicht, doch zugleich ist so eine Art Komponistenensemble ein wunderbares Instrument, um an Ideen zu arbeiten, die nicht wirklich technisch, sondern fast philosophisch sind.
Auf meine Arbeit hat das großen Einfluss: Einerseits ist ein Großteil der von mir komponierten Musik nicht für traditionelle westliche Instrumente geschrieben, sondern für Spielzeuginstrumente, für Objekte, für andine Blasinstrumente. Andererseits liegen die technischen Schwierigkeiten bei den Instrumenten in der Regel nicht in der Geschwindigkeit, in extremen Registern oder in ungewöhnlichen Techniken. Ich denke, die größte Schwierigkeit bei diesen Partituren liegt darin, bestimmte Prozesse oder Materialien zu verstehen und zu erkennen, wo die Schönheit des geforderten Klangs liegt.
Zwar ist die zeitgenössische Musikszene in Bolivien nicht sehr groß, doch es gibt musikalische Traditionen, die man als "nicht-westlich" bezeichnen könnte, die sehr lebendig und präsent sind. Diese Musik ist eine wichtige Manifestation eines Denkens, das sich erheblich von dem unterscheidet, was uns in den städtischen Schulen oder in unserer Erziehung beigebracht wird und das ich auch für meine Musik faszinierend finde. Vom Einsatz geringer Ressourcen oder geringer diskursiver Prozesse zur Vorstellung von Klang als etwas Nicht-Einheitlichem.
English
Almost everything that is produced and heard in the field of contemporary music in Bolivia happens in La Paz. This is not much: in a good year it is possible to hear four or five concerts of contemporary music. Almost all instrumentalists go abroad, whether to Germany or the United States, and very few return. In this context – where financial resources are scarce, where there are few good performers interested in performing contemporary music, and where there are almost no musical institutions – we composers have learned to turn difficulties into strengths. The solutions we find to problems become part of our aesthetic. The freedom to do something is very great, because our work lies outside of economic factors. We make the institutions ourselves, or we are them. The few contemporary music ensembles consist of us, the composers. This means a limitation in technical terms, but at the same time such a kind of composers' ensemble is a wonderful instrument to work on ideas that are not really technical, rather almost philosophical.
All of this has a great influence on my work: on the one hand, much of the music I compose is not written for traditional Western instruments, but for toy instruments, for objects, for Andean wind instruments. On the other hand, the technical difficulties of these instruments are usually not in speed, extreme registers, or unusual techniques. I think the greatest difficulty with these scores lies in understanding certain processes or materials, and recognizing where the beauty of the required sound lies. While the contemporary music scene in Bolivia is very small, there are musical traditions that could be described as "non-Western” that are very much alive and present.
This music is an important manifestation of a way of thinking that is very different from what we are taught in urban schools or in our education, and which I also find fascinating for my music: from the use of fewer resources or less discursive processes to the notion of sound as something non-unitary.