Donaueschinger Musiktage 2013 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2013: "Cantate Nr. 3"

Stand
Autor/in
Bruno Mantovani
Übersetzung
Birgit Gotzes (aus dem Französischem)

Dieses Werk für Chor und Orchester ist der dritte Teil meines Zyklus "Cantates" (der im Augenblick aus vier Teilen besteht). Nach Rainer Maria Rilke, Giacomo Leopardi und vor Paul Tymich steht hier Friedrich von Schiller als Dichter im Mittelpunkt. Aber dieses Werk ist eigentlich eine doppelte Hommage, denn auch Ludwig van Beethoven ist darin natürlich deutlich präsent. Orchester- und Chorbesetzung entsprechen der seiner "Neunten Sinfonie", und auch die wiederholt auftauchende Begleitfigur aus Sextolen, die die ersten Takte von Beethovens Komposition charakterisiert, verweist auf diesen Zusammenhang. Die verschiedenen Texte von Schiller (poetische Texte, nichts aus seinem Werk für das Theater) sind ideologisch tendenziös, ja sogar rachsüchtig, aber ich behandle sie hier auf eine abstrakte, kontemplative Weise. Die teils langen, teils kurzen Texte weisen alle eine je eigene Prosodie auf, lösen dadurch verschiedene Typen der Orchestrierung aus und erlauben es so, eine je andere Klangwelt zu schaffen. Die Auswahl dieser Gedichte kann damit als der erste Akt der Komposition betrachtet werden, da ihre Anordnung tatsächlich das dramaturgische Skelett des Werkes bildet.

Eine erste Version der "Cantate Nr. 3" wurde Ende 2012 vom Choeur de Radio France und dem Orchestre National de France unter der Leitung von Daniele Gatti uraufgeführt. Diese Version wurde zunächst überarbeitet und verdichtet und dann zu der dreißigminütigen der hier vorliegenden definitiven Version, die François-Xavier Roth gewidmet ist, erweitert.

Verwendete Texte von Friedrich von Schiller

DER PILGRIM

Noch in meines Lebens Lenze
War ich und ich wandert‘ aus,
Und der Jugend frohe Tänze
Ließ ich in des Vaters Haus.
All mein Erbteil, meine Habe
Warf ich fröhlich glaubend hin,
Und am leichten Pilgerstabe
Zog ich fort mit Kindersinn.
Denn mich trieb ein mächtig Hoffen
Und ein dunkles Glaubenswort,
Wandle riefs, der Weg ist offen,
Immer nach dem Aufgang fort.
Bis zu einer goldnen Pforten
Du gelangst, da gehst du ein,
Denn das Irdische wird dorten
Himmlisch unvergänglich sein.

Abend wards und wurde Morgen,
Nimmer, nimmer stand ich still,
Aber immer bliebs verborgen,
Was ich suche, was ich will.
Berge lagen mir im Wege,
Ströme hemmten meinen Fuß,
Über Schlünde baut ich Stege,
Brücken durch den wilden Fluß.
Und zu eines Stroms Gestaden
Kam ich, der nach Morgen floß,
Froh vertrauend seinem Faden
Werf ich mich in seinen Schoß.
Hin zu einem großen Meere
Trieb mich seiner Wellen Spiel,
Vor mir liegts in weiter Leere,
Näher bin ich nicht dem Ziel.

Ach kein Steg will dahin führen,
Ach der Himmel über mir
Will die Erde nie berühren,
Und das Dort ist niemals hier!

DIE FREUNDSCHAFT

[…]
Schwermut wirft die bangen Tränenlasten,
Süßer von des Leidens Sturm zu rasten,
In der Liebe Busen ab; –
Sucht nicht selbst das folternde Entzücken
In des Freunds beredeten Strahlenblicken
Ungeduldig ein wolllüstges Grab? –
[…]

SPRÜCHE DES CONFUCIUS

Dreifach ist der Schritt der Zeit.
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.
Keine Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die stehende bewegen.
Möchtest du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise?
Nimm die zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner Tat.
Wähle nicht die Fliehende zum Freund,
Nicht die Bleibende zum Feind.

DIE FREUNDSCHAFT

[…]
Stünd' im All der Schöpfung ich alleine,
Seelen träumt' ich in die Felsensteine,
Und umarmend küßt' ich sie –
Meine Klagen stöhnt' ich in die Lüfte,
Freute mich, antworteten die Klüfte,
Tor genug! der süßen Sympathie.
[…]

DIE GÖTTER GRIECHENLANDS

[…]
Schöne Welt, wo bist du? – Kehre wieder,
holdes Blütenalter der Natur.

Ach! nur in dem Feenland der Lieder
lebt noch deine fabelhafte Spur.
Ausgestorben trauert das Gefilde,
keine Gottheit zeigt sich meinem Blick.
Ach! von jenem lebenwarmen Bilde
blieb nur das Gerippe mir zurück.
[…]

ABSCHIED VOM LESER

Die Muse schweigt. Mit jungfräulichen Wangen,
Erröten im verschämten Angesicht,
Tritt sie vor dich, ihr Urteil zu empfangen;
Sie achtet es, doch fürchtet sie es nicht.
Des guten Beifall wünscht sie zu erlangen,
Den Wahrheit rührt, den Flimmer nicht besticht,
Nur wem ein Herz, empfänglich für das Schöne,
Im Busen schlägt, ist wert, daß er sie kröne.
[…]

DAS IDEAL UND DAS LEBEN (EIGENTL. DAS REICH DER SCHATTEN)

Ewig klar und spiegelrein und eben
Fließt das zephyrleichte Leben
Im Olymp den Seligen dahin.
Monde wechseln und Geschlechter fliehen,
Ihrer Götterjugend Rosen blühen
Wandellos im ewigen Ruin.
Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden
Bleibt dem Menschen nur die bange Wahl.
Auf der Stirn des hohen Uraniden
Leuchtet ihr vermählter Strahl.

Stand
Autor/in
Bruno Mantovani
Übersetzung
Birgit Gotzes (aus dem Französischem)