Donaueschinger Musiktage 2009 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2009: "Spiegelung (Blau)"

Stand
Autor/in
Robin Minard
Übersetzung
Bernd Künzig (aus dem Englischen)

"Spiegelung (Blau)" ist eine Auftragsinstallation der Donaueschinger Musiktage 2009 für den Spiegelsaal des Museums Biedermann. Einerseits handelt es sich um eine neue Installation, andererseits hat sie eine lange Vorgeschichte innerhalb meiner zurückliegenden Werke. Diese reicht 25 Jahre zurück bis zu meinem 1984 komponierten Werk Music for Quiet Spaces für ein Vibraphon und Bandverzögerung. Ziel dieser Arbeit war es, eine nicht-narrative, langsame Bewegungsstruktur zu komponieren, mit der der Aufführungsraum in einem architektonischen Sinne durch Klangfarbe gestaltet würde – also weniger im Sinne eines rein musikalischen Bedeutungsausdrucks. Dabei bemerkte ich, dass eine wesentliche Parallele gezogen werden konnte zwischen dem Gebrauch von Klang und dem Gebrauch von Licht und Farbe innerhalb der Architektur – der Wechsel des Tageslichts zum Beispiel führt zu einer subtilen temporären Veränderung unserer Wahrnehmung von Architektur – und in der Tat enthalten komponierte Klänge ebenfalls das Potential, unsere Wahrnehmung des Raums in einem außer-musikalischen Sinne zu beeinflussen.

Installationsskizzen von Robin Minard
Installationsskizzen von Robin Minard

Die Langsamkeit der Kompositionsstruktur der früheren Arbeit basierte auf einem akustischen Phänomen: Die durch die einheitliche Intervallstimmung erzeugten Pulsschläge wurden – zur damaligen Zeit noch manuell – berechnet und zeitlich gestreckt, um Abgrenzungen für langsame Veränderungen innerhalb der musikalischen Parameter wie Dynamik und Tonhöhe zu erzeugen. Mit diesem Werk setzte ein lang anhaltendes Interesse im Gebrauch der Spektralanalyse ein, um musikalische Formen und Materialien zu erzeugen. Zu Beginn der neunziger Jahre konnten spektrale Veränderungstechniken durch die Hilfe immer leistungsstärkerer Computer für Kompositionen wie Ré (1991) und Resonanz (1993) ebenso eingesetzt werden wie in Echtzeit-Klang-Installationen wie Soundcatchers (1991), Stationen (1992) und 68 Kilometers of Music (1994). In diesen Arbeiten wurde das Material und die Form durch die mit Hilfe des Computers unternommene spektrale Klanganalyse gewonnen. Die Echtzeit-Installationen nutzten FFT (Fast Fourier Transform)- und MIDI (Musical Instrument Digital Interface)-Umwandlungen, die gemeinsam mit Holger Becker an der TU Berlin entwickelt wurden.

Die Idee einer Installation für einen "Raum mit Spiegeln" – dem Spiegelsaal – hat mich dazu angeregt, diese früheren Denkwege erneut aufzugreifen. 25 Jahre nach meinen anfänglichen Erforschungen stellt es derzeit eine besondere Herausforderung dar, zu überdenken, welche Art einer "Musik für stille Räume" mit heutiger Technologie erreicht werden kann – nicht um den Spiegelsaal als einfachen Installationsraum zu behandeln, sondern als eine Art Instrument, in dem akustisches Material gespiegelt und gebrochen werden kann in Bezug auf die akustischen Bedingungen des Raumes selbst und um die Raumarchitektur mit Klang und Licht zu erhellen.

Mit Spiegelung (Blau) wird der Spiegelsaal zu einem Spiegel, in dem die verschiedenen Instrumentalkonzerte der Donaueschinger Musiktage gebrochen werden. Die Konzerte werden durch eine Live-Verbindung zur Installations-Software analysiert, in extrem lange Verzögerungsloops überführt, aufgespalten und schließlich zeitlich verräumlicht. Zur Vorbereitung der Installation wurden alle im Raum vorhandenen Resonanzfrequenzen akustisch ermittelt und berechnet. Die daraus erhaltenen Informationen wurden zur Herstellung von Filtern genutzt, die die einkommenden Klangfarben kanalisieren, um die spektralen und räumlichen Verläufe zu bestimmen, und die die Software dazu anleiten, Klangkategorien abzuspeichern für die spätere Abrufung, Verarbeitung und Verräumlichung.

Gefiltertes Tageslicht wird ebenfalls genutzt, um eine sich langsam verändernde Atmosphäre im Installationsraum zu erzeugen. Das durch die fünf höchst gelegenen Fenster in den Spiegelsaal eindringende Licht wird durch eine blaue, teils licht-durchlässige Folie gefiltert. Licht und Klang werden in der Installation kombiniert, um ein Umfeld zu erzeugen, das die Wahrnehmung mehr auf die architektonischen Aspekte lenkt als auf die Intention eines musikalischen oder erzählerischen Inhalts.

Stand
Autor/in
Robin Minard
Übersetzung
Bernd Künzig (aus dem Englischen)