Donaueschinger Musiktage 2006 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2006: "Time after Time"

Stand
Autor/in
Robin de Raaff
Übersetzung
Lydia Jeschke (aus dem Englischen)
Lydia Jeschke

Reinbert de Leeuw und dem Schönberg Ensemble gewidmet

Im Jahr 2004 gaben die Netherlandse Opera und das Holland Festival die Uraufführung von meiner Oper RAAFF über den berühmten deutschen Tenor Anton Raaff, der 1781 Mozarts Idomeneo an Karl Theodors Hof in München uraufführte. Nachdem ich RAAFF geschrieben hatte, ein Stück, in dem die Vielzahl von musikalischen Ideen von entscheidender Wichtigkeit ist für die Entwicklung der Charaktere und die zugrunde liegende dramatische Entwicklung, fühlte ich immer mehr den Drang, Musik zu schreiben, in der eine einzige Idee die gesamte Kontur, Form und Triebkraft der Komposition definiert. Der Auftrag durch die Donaueschinger Musiktage wurde das Objekt für dieses Ideal.

Der Titel Time after Time (Immer wieder) enthüllt bereits, dass sowohl Zeit als auch Wiederholung sehr wichtige Elemente sind. Zeit oder Tempo sind hier nicht ein intuitiv gewählter Faktor, sondern werden strukturelles Element, der wahre Stoff der Komposition.

Time after Time ist ein Gebilde aus kleinen Ketten, wiederkehrenden Gesten, die aneinander geklinkt sind, um größere Ketten zu bilden, die sich dann zu einer größeren Skala aneinander klinken. Das Tempo oder die Schnelligkeit um diese wiederkehrenden Gesten herum erhöht sich allmählich, während die absolute Geschwindigkeit jener Wiederholungen in der Zeit eingefroren bleibt.

Dieses Verfahren ist durch eine Technik inspiriert, die in der modernen Kinematographie üblich ist. Es ist ein musikalisches Äquivalent zu einem optischen Effekt, dem ein Gegenstand unterzogen werden kann, indem von einem Weitwinkel-Objektiv zu einem Tele-Objektiv gezoomt wird, während die Größe des Gegenstands im Bild dieselbe bleibt. Die Entfernung des Gegenstandes zum aktuellen Objektiv muss beständig angeglichen werden, was dazu führt, dass die Größe des Gegenstandes im Bild scheinbar einfriert, während die Umgebung sich dynamisch ändert; der Effekt ist sehr beeindruckend.

Der musikalische Dialog beginnt, wenn die Spannung sich aufbaut zwischen jenen eingefrorenen Gesten und Gesten, die sich der generellen Beschleunigung tatsächlich anpassen. Und der musikalische Höhepunkt beginnt in dem Moment, in dem das Tempo anfängt, wieder langsamer zu werden, während die eingefrorenen Gesten schließlich beginnen, gegen das allgemeine Langsamerwerden des Stückes in einem poetischen Spiel der Elemente zu beschleunigen.

Aus einer vollkommen künstlichen Idee entstand eine ganz einfache musikalische Idee, mit sehr klarer Rhetorik: eine gemeinsame Basis zu schaffen in den ungemein weit entfernten Ebenen extremer Geschwindigkeiten, immer verbunden durch den flüssigen Zustand der Zeit.