Donaueschinger Musiktage 2014 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2014: "Quadrat und Linie"

Stand
Autor/in
Julius Stahl

Quadrat und Linie (2004) und GRUPPE VI, Photogramme (2014)

Ein zentrales Element meiner Arbeit ist Bewegung. Von physikalischer Bewegung zur Bewegung zwischen den Sinnen. Interferenzen von Sinnesräumen, zwischen Sicht- und Hörbarem, ausgehend von Resonation. Obwohl Klang den Ausgangspunkt bildet, sind nicht alle Arbeiten hörbar. Vielmehr geht es um Klang als Bewegung zwischen Auditivem und Visuellem – als Oszillation zwischen den Sinnen. In den Installationen zeigen sich Beziehungen akustischer und visueller Räumlichkeit. Konkrete Objekte bestimmen aufgrund ihrer resonanten Eigenschaften den Klang und dessen Erscheinung. Andere Werkgruppen wie Photogramme und Kohlezeichnungen hingegen gestalten Blicke auf akustische Prozesse über bildnerische Notation. Auch hier lassen die jeweiligen Techniken und Materialien mit ihren Eigenschaften neue Perspektiven auf akustische Prozesse entstehen. Akustische Ausgangsmaterialien wie Sinuston und weißes Rauschen werden im Sinne eines konkreten Materialbegriffs in die bildenden Künste überführt. Der Ausstellungsraum Quadrat und Linie ist der Körperlichkeit von Klang gewidmet.

Die Installation Quader besteht aus zwei transparenten Drahtobjekten, die von der Decke bis zum Boden des Ausstellungsraumes reichen. Die Objekte sind aus Hunderten dünner Drahtstangen zusammengesetzt. Beide Objekte werden über Sinuston-Glissandi angeregt. Die Klänge sind nahezu unhörbar, werden jedoch in Form von "stehenden Wellen" entlang der einzelnen Drähte sichtbar. Dabei zeigen sich Klangbewegungen durch die beiden Objekte hindurch. Dies entsteht durch die Modulation der Frequenzen sowie durch die Eigenresonanzfrequenzen der Drähte selbst. Objekt und Klang sind untrennbar verbunden und bedingen ihre Erscheinungsform in unmittelbarer Art und Weise.

Ausgangspunkt der Photogramme aus der Gruppe VI sind Objekte aus resonierenden Metallgittern. Auch hier ist der Klang als Bewegung in der Zeit ein zentrales Motiv. Je nach anregender Frequenz werden entsprechende Regionen von Metallgittern in Bewegung versetzt. Dabei entstehen graduelle Permutationen der Ursprungsform – des Quadrats. Diese Bewegungszustände werden auf Silbergelatinepapier belichtet. Aus Perspektive der Wahrnehmung springt die Bewegung dabei von der physikalischen in die Sinnes-Räumlichkeit. Beim Betrachten der Photogramme entsteht die Bewegung im Wahrnehmungsprozess selbst – durch die Wirkung der graphischen Strukturen. Ähnlich wie in den Objekten der Installation Quader mit den "stehenden Wellen" eine ungreifbare Räumlichkeit entsteht, entsteht eine solche in den Photogrammen durch die Stille – die Abwesenheit von Bewegung. Obwohl man sich in der Begegnung einer statischen Abbildung gegenübersieht, zeigen die Photogramme weniger das Abbild eines Objekts, als einen akustischen Prozess aus der Perspektive des Lichts. Die Technik des Photogramms ist in diesem Zusammenhang im Besonderen relevant, da hier im Gegensatz zur Photographie tatsächliche Raumverhältnisse abgebildet werden. Durch das Verfahren wird sowohl der Raum vor als auch hinter dem Objekt relevant – eine dem Hören verwandte Perspektive.

Stand
Autor/in
Julius Stahl