Lange Zeit habe ich über die Worte des Heiligen Paulus nachgedacht ("Und auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarungen überheben, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf dass ich mich nicht überhebe.", 2. Korinther, 12,7) und über die Interpretation dieser Worte durch Sören Kierkegaard. Mich interessierte das Mysteriöse und Obskure in dieser Passage: Keiner weiß, was der Pfahl ist, was er symbolisieren soll. Es gibt viel Raum für Imaginationen. Und in diesem Raum begann ich die "Geschichte" einer Komposition zu schaffen.
Das Stück hat drei Teile. Jeder Teil lässt sich charakterisieren: Erster Teil: Kampf, der mit Verzweiflung endet, zweiter Teil: Verdichtung der Emotion, fragmentarische Gedanken, dritter Teil: Erlösung durch das Eintreten von Transzendenz. Im ersten Teil gibt es die musikalische Parallele der menschlichen Pein, mit großem Setting und hoher Spannung, die die Grenzen des Möglichen streift. Am Ende dieses Teils steht das unglückliche Wissen um die Unmöglichkeit einer Erfüllung. Es gibt dort ein Gebet (oder einen Hilferuf). Im zweiten Teil wird die Energie gewaltsam unterdrückt. Auf diesen Teil folgt ein Intermezzo (Erscheinung der Gnade). Im letzten Teil kehrt die Energie zurück, aber als Energie anderer Art (nicht von dieser Welt).
Im ersten Teil spielt das ganze Trio um drei punkartige "Songs" herum. Satz und Dynamik sind dicht. Die Songs werden durch "unglückliche Gebete" unterbrochen (Zitate aus der klassischen Harmonie, jedoch in hoher Lage und Dynamik). Der mittlere Teil des Stücks ist ein bisschen schizophren: Zwei unabhängige rhythmische Reihen wandern im Kreis, die Dynamik ist sehr niedrig. Die Musik ist wie ein "klingender Hintergrund" – mit nur gelegentlichen Offenbarungen von einzelnen Akkorden oder melodischen Elementen. Das Intermezzo ist tonal, aber die Akkorde sind auf nicht-klassische Weise verbunden – durch Viertelton-Verschiebungen der Teile. Der letzte Teil des Stücks wird nur von den Becken gespielt, aber die Rhythmen und Energien des ersten Teils kehren zurück. Grundlegende Ideen des Stücks:
1. Die Transzendenz seiner selbst; die Instrumente spielen lange, länger als üblich, in hoher Lage und Dynamik, mit dichtem Satz; das Beckensolo endet nicht in dem Moment, wenn der Klang sehr laut und aggressiv ist, sondern nach diesem Moment.
2. Der Ausdruck von Energie; die Energie der Musiker sollte rock-artig sein
3. Maximale Kontraste; dynamisch (Stille – Lärm), rhythmisch (statische Klänge – schnelle rhythmische Patterns), formal (Schnitte zwischen den Formteilen).
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 2002
- Themen in diesem Beitrag
- Michal Nejtek, Thorn Into The Flesh für Violoncello, Posaune und Schlagzeug