Donaueschinger Musiktage 2000 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2000: "Sparks on Paper"

Stand
Übersetzung
Lydia Jeschke (aus dem Amerikanischen)
Lydia Jeschke

Ron Kuivila

Einen Fluss in Gang setzen - Über Klanginstallationen

Durch die Elektrizität ist es leicht geworden, Klang und Bild einzufangen, zu speichern, zu reproduzieren und zu verbreiten. Mit Hilfe der Elektrizität lassen sich die hör- und sichtbaren Spuren der Welt zeitlich und räumlich näher zusammenbringen, mitsamt der Musiken, der menschlichen und der nicht-menschlichen, die die Welt enthält. Die Elektronik leifert eine prothesenhafte Erfindung, die sowohl Monstermusiker als uach Musikmonster ernährt. Ich bin schon immer von diesem elektronischen Raum fasziniert gewesen er ist es, in dem ich arbeite. Doch der elektronische Medienraum hat sich zu einem dauerhaften und unaufhörlichen Fluss entwickelt,der das Hören taub und das Bewusstsein trübe macht.

Hier ein konkretes Beispiel: Bürogebäude betäuben ihre Beschäftigten sanft mit dem Rosa Rauschen der Klimaanlage. Führe die folgende simple Aufführungsanweisung durch: Schalte alle Ventilatoren in deiner unmittelbaren Umgebung ab (Klimaanlage, Heizung, Kühlschrank, Computer). Diese Klänge zum Schweigen zu bringen, erzeugt ein unmittelbares Gefühl von Entspannung. Ich hätte zu gern einmal die Möglichkeit, diese Aktion um die Mittagszeit, bloß für zehn Minuten, im World Trade Center in Manhattan oder an jedem anderen Ort des multi-nationalen Kommerzes durchzuführen.

Hier ein musikalisches Beispiel: Virgil Thomsam reklamierte, dass eine der großen Entdeckungen Igor Strawinskys darin bestand, dass sich Akzente über einem unakzentuierten Puls ganz nach Belieben verteilen lassen. In der Tanzmusik ist es genau dieser Beat, der Raum für jeden Klang oder Sample bietet. So stabilisiert und vereint der Beat die Klänge, vermindert aber zugleich ihre Differenzen. Die klangliche Unbekannte ist uns als Bewohnerin des 4/4-Taktes vertraut.

Hier ein soziales/kulturelles Beispiel: Die wahre Aufgabe des kommerziellen Rundfunks besteht nicht darin, den Hörern Musik, sondern darin, die Hörer der Werbung zur Verfügung zu stellen. Er schafft einen Strom von Musik, der – in den Worten Friedrich Kittlers – wie Wasser aus einem Wasserhahn fließt. In solchen Zusammenhängen ist auch der Anfang eines großartigen Popsongs wenig mehr als eine winzige Abweichung im sanften, sich wieder beruhigenden Gemurmel des musikalischen Brunnens. Als Quelle von Musik (oder einer jeden anderen Kunstform) egalisiert der Wasserhahn alles; er verwischt die Unterschiede und mildert die Reaktionen.

Die musikalische Erfahrung der meisten Leute entspringt diesem Fließen. Als Komponist muss ich akzeptieren, dass die Musik, die ich mache, unweigerlich ein Teil dieses Fließens wird. Klanginstallationen haben eine besondere Funktion, indem sie einen Fluss in Gang setzen, zugleich jedoch durch ihre Körperlichkeit und ihre situativen Besonderheiten von den meisten Medienerfahrungen unterschieden sind. In diesem Sinne sehe ich Klanginstallationen als eine Möglichkeit, sich zu engagieren und den größeren Medienflüssen unserer Kultur etwas entgegenzusetzen.

Eine Wasserhahn ist perfekt, wenn er dicht ist, er sollte niemals tropfen oder überfließen. Ein Fluss jedoch tropft, überschwemmt, trocknet aus, kann sogar gestaut werden, aber er bleibt immer ein Fluss. Ich versuche Installationen zu schaffen, die sich zu Flüssen entwickeln, nicht zu Leitungswasser. Meine Hoffnung ist, dass sich mit Hilfe der Flüsse, die ich in diesen Installationen komponiere, Erfahrungen machen lassen.

Über Sparks on Paper

Der Klang eines Funkens ist ungewöhnlich, insofern als er keinen "Körper" hat. Er entsteht nicht durch ein virbrierendes Objekt, welches Luft schiebt und zieht, sondern durch ein buchstäbliches Zerreißen der Luft, erzeugt durch einen Elektronenfluss. Dieses Zerreißen produziert einen Klang, der sich in alle Richtungen gleichmäßig ausbreitet. Aus diesem Grund benutzen Akustiker Funkenrisse, um die Akustik von Räumen zu testen. Für das Ohr hat der Klang eines Funkens eine unmissverständliche Präsenz und eine Assoziation zum elektronischen Kurzschluss. Es ist ein Klang, der durch Lautsprecher nicht adäquat reproduziert werden kann – er existiert im Moment des Ausbrechens eben außerhalb der Grenzen von Spulen und Karton.

In Sparks on Paper werden Wände aus Funken erzeugt, indem parallele Stahldrähte durch den Raum gespannt werden. Zwischen jedem Paar von Drähten wird eine Spannung von einer Differenz von bis zu 12000 Volt erzeugt, die statische Anziehung, die durch diese Spannung entsteht, zieht die Drähte zusammen. Wenn die Drähte zusammenkommen, entsteht ein Funke, der die Anziehung momentan aufhebt. Das bringt die Drähte in Bewegung. Die resultierende Vibration verändert die Position und den Zeitpunkt des Funkenspühens, und so entsteht ein irreguläres Pulsieren, das zugleich beständig und unvorhersehbar ist.

Die Besucher können sich im Raum mit diesen Drähten frei bewegen, da das Auftreten der Hochspannung streng limitiert ist und die Drähte tatsächlich gefahrlos berührt werden können. Pergament und andere härtere Papiere werden an die Drähte gebunden, um die Klänge ihrer Vibrationen zu verstärken. Das Ergebnis ist eine Art klanglicher Irrgarten.

Das Stück wird in vier Räumen mit je unterschiedlichen Lichtverhältnissen installiert, so dass eine räumliche Annäherung an den Übergang von der Dämmerung zur Dunkelheit entsteht. So werden die Besucher die Installation einerseits als ein physikalisches System wahrnehmen, welches die konstituierenden Elemente eines Lautsprechers rekonfiguriert, andererseits einfach als ein Spiel von Licht und Klang.