Donaueschinger Musiktage 2005 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2005: "weit - weiter"

Stand
Autor/in
Juliane Klein

Juliane Klein

Schönheit?

Juliane Klein antwortet auf eine Frage der Zeitschrift "Positionen"

Wenn sich beim Hören von Musik (genauer gesagt: beim ZUHÖREN) in mir Gedanken an Außerordentlichkeit, an Tiefe / Höhe, an Einmaligkeit, an Visionäres, an Fremdheit und Nähe etc. regen, bin ich dann in Berührung mit dem Schönen gekommen?

Im Lärm von Ansicht, Meinung, Standpunkt, Überzeugung, Wissen, Wertung und Urteil mag "das stille, sanfte Sausen" des Schönen nicht gehört werden.

Denn das, was wir hören, ist eben nur das, was wir hören KÖNNEN.

Trotzdem: der Mega-Filter aus Erfahrung-Erziehung-Zeitgeist, aus Druck-Begrenztheit-Zeitmangel, der in unseren Gehörgängen / Denkabläufen steckt, lässt sich herunterregeln bzw. sogar ausschalten.

Beginnend in sehr jungen Jahren etwas über / durch / mit Musik akademisch zu lernen, wurde das Schöne für mich immer mehr zu einem – einzig und allein – historischen Begriff, den ich für das damalige Lebens-JETZT, in dem ich mich befand, als schlichtweg unsinnig oder zumindest uninteressant abtat.

Denn das, war wir hören, ist eben nur das, was wir hören WOLLEN.

Und so hörte und komponierte ich vor ca. 10-20 Jahren Extreme mit Sackgassencharakter: Gnadenlose Härte. Zugespitzte Enge. Ausweglose Trauer.

Heute höre und komponiere ich anders:
Die Kontinuität des immer wieder an den verschiedensten Orten, in den verschiedensten Kulturen, Epochen und Philosophien auftauchenden Schönen (schier unendlich reich an Form und Gestalt), diese Kontinuität hat mich zum Nachdenken gebracht, hat mir bewusst gemacht, dass dem Schönen zweifellos unkaputtbare Qualität und zeitlose Relevanz innewohnt, dass das Schöne auch für / mit / durch die Musik, die ich schreibe, im JETZT stattfinden kann.

Ja, das Schöne ist nicht totzukriegen.

Und nicht zu bändigen.

Für Serienproduktion und Vermarktung ist das Plagiat zuständig, die Billig-Ausführung oder Aldi-Fassung: anwenderfreundlich, bedürfnisbefriedigend, einsatzbereit und erschwinglich für jeder-frau-mann.

Das Schöne bleibt original.

(Positionen August 2005, gekürzte Fassung)

Stand
Autor/in
Juliane Klein